Sozialdemokraten machen auf jugendnah

■ Die Politiker dozierten, die Mädchen lachten: Die SPD-Bundestagsfraktion hatte zum Thema „Mädchen können alles – gleiche Chancen in der Berufsausbildung“ geladen

Bonn (taz) – Lila Luftballons hingen an den Fenstern des Bonner Wasserwerks. Darunter quetschten sich neunhundert Mädchen aus allen Teilen der Republik in den Saal: jede Menge schwarze Sportanoraks, silberne Ringe in Nasen und Ohren, sorgfältig geschminkte Gesichter. Die SPD- Bundestagsfraktion hatte die Mädchen zur Diskussion mit Politikern und Experten über das Thema „Mädchen können alles – gleiche Chancen in der Berufsausbildung“ eingeladen. Frauenpolitikerin Ulla Schmidt forderte ihre Zuhörerinnen gleich zu Beginn auf: „Laßt euch in anderen als den frauentypischen Berufen ausbilden. Frauenberufe sind schlecht bezahlt, man kann am wenigsten was werden, und man wird am schnellsten entlassen.“

Doch die Mädchen im Saal hatten andere Probleme: „Wenn sich eine Türkin mit einem Kopftuch auf einen Ausbildungsplatz bewirbt, sagen die: Die wollen wir nicht haben!“ klagte eine Hauptschülerin aus Aachen, deren Eltern aus der Türkei stammen. Karl Pröbsting, Präsident des Landesarbeitsamtes Nordrhein-Westfalen, antwortete gönnerhaft: „Rechtlich haben ausländische Mädchen die gleichen Ansprüche auf einen Ausbildungsplatz. Aber man muß auch etwas Flexibilität an den Tag legen. Seinen Glauben und seine Herkunft kann man anders zeigen als mit einem Kopftuch.“ Uta Kupfer von der Gewerkschaft HBV bekam viel Beifall für ihren Widerspruch: „Warum soll eine Frau mit einem Kopftuch eine schlechtere Verkäuferin sein?“ Ein Mädchen setzt noch eins drauf: „Ist doch egal, wie jemand aussieht. Ob sie ein Kopftuch trägt oder Punk ist, da muß man tolerant sein.“

Die Jusovorsitzende Andrea Nahles dozierte: „Mädchen wollen Kinder kriegen und einen Beruf haben, der ihnen Spaß macht. Sie müssen sich überlegen: Wie krieg' ich das organisiert? Jungs haben damit keine Probleme.“ Darauf eine Zuhörerin: „Viele überlegen sich das, ob sie überhaupt Kinder kriegen sollen, wenn sie keine Zukunftschancen sehen. Also ich habe keinen Drang danach.“ Lautes Lachen und Klatschen. Den größten Beifall kassierte ein Mädchen für den Satz: „Die Politiker interessieren sich doch nicht für die kleinen Leute, sondern nur für ihren eigenen Profit.“ Andrea Nahles erwiderte genervt: „Ich mache das ehrenamtlich. Von Profit kann keine Rede sein.“ Eine junge Berlinerin schlug sich auf ihre Seite: „Die Veranstaltung hier zeigt doch, daß unsere Probleme nicht allen Politikern egal sind.“ Doch der Einwand einer anderen Zuhörerin saß: „Das sind hier doch nur die kleinen Angestellten. Die berühmten Politiker sind alle nicht da. Ich kenne jedenfalls keinen von ihnen hier.“

Am Ende der Veranstaltung gab sich SPD-Frau Edelgard Bulmahn noch einmal ganz jugendnah: „Wir sind beschissenerweise hier in der Bundespolitik in der Minderheit. Ihr könnt uns helfen, daß sich das ändert.“ Tina Stadlmayer