Nichts drängt in Anmut

■ Martin Sulik erzählt in Der Garten von den labenden Gesten und stummen Erlebnissen eines Lebens in einfacher Schönheit

Wer auf Zärtlichkeit und Leich-tigkeit beim Filmemachen nicht verzichten will, der tut als Regisseur schöne Sachen. So eine schöne Sache ist der dritte Spielfilm des tschechischen Regisseurs Martin Sulik, Der Garten.

Der dreißigjährige Jakob, Lehrer von Beruf und Untermieter bei seinem Vater, erhält von diesem den Vorschlag, in das nett verfallene Häuschen von Jakobs Großvater aufs Land zu ziehen. Dort angekommen, findet Jakob die Tagebuchaufzeichnungen seines Ahnen mit dessen aufgeschriebenen Betrachtungen, zum Beispiel über Fledermäuse. Jakob beginnt, das Haus zu renovieren. Zwischendurch unterhält er sich mit der umherstreifenden, jungen Helena oder wickelt sich mit ihr in eine mit Äpfeln bedeckte Decke ein. Ein passierender Schäfer fordert Jakob dazu auf, ihm die Füße zu waschen. Ein Familienvater mit dem Namen Rousseau und einem defekten Auto tauscht seinen Wagen gegen Jakobs Gefährt.

Als eine verheiratete Geliebte Jakobs mit ihrem Gatten auftaucht, fühlt er sich überfordert, als sein Vater vorbeischaut, rasiert er ihm das Kopfhaar. Am Abend nach dem Haarschnitt singen Vater und Sohn ausdauernd genug in einem Restaurant, um von den Kellnern samt Stühlen hinausgetragen zu werden, was beider Sangeswillen keinen Abbruch tut. In der letzten Einstellung des Films Der Garten streckt sich Helena im Garten auf einem Tisch aus, um darauf waagerecht und in aller Anmut ein paar Meter in die Luft zu schweben.

Kein Kreis hat sich geschlossen, und am Anfang und am Ende stattet Martin Suliks Film Der Garten seine Zuschauer mit dem Gefühl aus, in aller Leichtigkeit mittendrin zu stecken. Nichts drängt, aber es ist auch nichts unverbindlich.

Die Gefühle liegen in diesem Film einfach so herum, man könnte sie einzeln oder ein paar auf einmal nach Belieben aufheben. Wenn es nicht nach altmodischer Schwelgerei klingt, handelt es sich bei Der Garten um einen „poetischen“Film. Martin Suliks „Botschaft“lautet: Ein Leben ohne Lebenssinn läßt einen den nächsten Tag wie eine Sammlung einladender philosophischer Moritaten erleben.

Dazu bedarf es nicht unbedingt, in sich zu gehen. Es reicht manchmal, als buddhistisch interessierter Landmann die Dinge, die Leute und einen verwachsenen Garten auf sich zukommen zu lassen. Ob die Verwandten Wesen sind, mit denen sich ausschließlich über die Unausgesprochenheiten in Verbindung treten läßt, und ob die Liebe vielleicht nur etwas Schönes unter einigem Schönen ist – das sind nach 100 Minuten mit dem Leben des Lehrers Jakob Fragen, die man aushält.

Kristof Schreuf

Abaton