Läuterungsweg der Liebe

■ Sven-Eric Bechtolf wechselt mal wieder ins Regie-Fach und inszeniert am Thalia Theater eine unmodernisierte Fassung von Shakespeares Romeo und Julia

Romeo und Julia haben es nicht leicht. Als beliebtes Beispiel unerfüllter Liebessehnsucht geistert das Paar durch die Sprachlandschaft. Meist im abwertenden Sinne, was die Sache nicht richtiger macht.

Bald aber werden alle erfahren, daß sich die beiden vor ihrem Tod doch bekommen haben, denn der große Mythen-Staubwedel naht. Für die Hamburger gleich zweifach. Noch bevor Baz Luhrmanns Film in die Kinos kommt, bringt Sven-Eric Bechtolf das elisabethanische Drama auf die Bühne des Thalia Theaters, mit Martin Feifel und Alexandra Henkel in den Hauptrollen.

Bechtolf, zuletzt bereits zweimal erfolgreich im Regiefach tätig, modernisiert nicht, er steckt seine Darsteller nicht in Gangjacken. Er läßt das Stück dort, wo es herkommt: in der Welt des 16. Jahrhunderts. Warum macht der Mann das?

Es liegt am Stoff, sagt Bechtolf. Der habe einen sehr reminiszenten Charakter. Die Bilder glichen Archetypen, die, einmal heraufbeschworen, eine extrem emotional aufgeladene Aussagekraft hätten. Sie erzählten von der Kraft der Liebe, die alle Schwierigkeiten ignoriere. Wer meint, das nicht zu kennen, brauche nur alte Tagebücher aufzuschlagen. Die beiden Veroneser Kinder hätten in ihrem jämmerlichen Tod einen großartig siegreichen Gestus. So habe dieser Tod zwei Seiten, eine reale und eine metaphysische: Das Sterben sei hier auch ein Läuterungsweg der Liebe.

Bei einem Stoff, der so existentielle Gefühle freisetze, solle man die Ablenkung möglichst klein halten, meint der Regisseur. Würde er Romeo in einen Anzug stecken, liefe das Stück Gefahr, den Zuschauern überflüssige Fragen zu suggerieren. Die Inszenierung will die Bilder aus der Atmosphäre entstehen lassen: mit sehr einfacher Bühne und stark ausgeschittenen Figuren.

Er habe sie mit einem kleinen Kosmos umgeben, erklärt Sven-Eric Bechtolf, die beiden Liebenden und deren Anhang, die vielen seltsamen und widersprüchlichen Shakespearschen Charaktere. Dies sei der bühnenadäquate Weg, dem Publikum einen Zugang zu Shakespeares Welt zu öffnen.

Es war eine Welt, die sich mit Vorliebe eine merkwürdig vertraute Frage stellte: Gibt es so etwas wie Schicksal? Auch heute, 400 Jahre später, bekommt man in jedem Esoterik-Shop kübelweise Blödsinn zu diesem Thema angeboten. Nur: Die Ablehnung falscher Antworten produziert noch keine richtigen. Sicher ist es schlauer, sich die Geschichte dieser „ungelebten Liebe, die an ihrem Höhepunkt erwischt wird“(Bechtolf) anzusehen, als Horoskope zu lesen – und unterhaltsamer mit Sicherheit auch. „Love's not time's fool“, sagt der alte William und winkt uns über die Kluft von vier Jahrhunderten zu.

Barbora Paluskova

Premiere: Sa, 8. März, 20 Uhr, Thalia Theater