Windkraft-Boom verliert an Dynamik

■ In der Region Weser-Ems stieg die Zahl der Anträge nur noch um zehn Prozent. Investoren und Betreiber sind verunsichert

Der Boom ist gebremst. Zwischen Wattenmeer und Landkreis Vechta werden immer weniger Anträge auf den Bau von Windenergieanlagen gestellt. Hatte sich die Anzahl der Windräder im Regierunsgbezirk Weser-Ems zwischen 1990 und 1994 mehr als verfünffacht, stieg die Zahl der genehmigten Anlagen in den vergangenen 18 Monaten lediglich um 10 Prozent an: Genehmigt und zum Teil errichtet wurden bis jetzt 1130 Anlagen mit einer Leistung von insgesamt 408 Megawatt. Gleichzeitig befinden sich noch 950 Anträge im Genehmigungsverfahren - im September 1995 aber waren es noch 1040.

Einer der Gründe: Verunsicherung über die gesetzlichen Rahmenbedingungen macht sich breit unter den PrivatinvestorInnen. Schon seit Inkrafttreten des "Stromeinspeisungsgesetzes" von 1991 mault der Weser-Ems Energiemonopolist EWE darüber, daß er den Windstrom in seinem Versorgungsgebiet für derzeit 17,15 Pfennig pro Kilowattstunde ankaufen muß, obwohl Atomstrom doch für rund die Hälfte erhältlich sei - bislang vergeblich.

Doch die Diskussion hat jetzt eine neue Qualität erhalten. Die EWE, die das Geschäftsjahr 1996 mit rund 55 Millionen DM Gewinn abschloß, droht mit einer Erhöhung der Strompreise, sollte sich das Einspeisegesetz nicht zugunsten der Großversorger ändern. EWE-Sprecher Karl Hackstette: "Für dieses Jahr rechnen wir mit rund 58 Millionen DM Mehrkosten durch die Windenergie, im Jahr 2000 könnten es 85 Millionen sein." Schützenhilfe erhielt die EWE zudem von Weser-Ems Regierungspräsident Bernd Theilen.

Der schlägt vor, die Mehrkosten unter allen Energieversorgern umzulegen. Die Idee eines "Windpfennigs" sei zumindest diskussionswürdig.: Eine Idee indes, die bei Privatinvestoren nicht mehr als ein Schmunzeln hervorruft. Schließlich wurde bereits vor zwei Jahren der "Kohlepfennig" für verfassungswidrig erklärt - und außerdem, so Windparkplaner Dietrich Heck von der Bremer Firma "Tandem": „Was soll der Quatsch. So ein Ausgleichsinstrument ist im Energiepreisgesetz bereits vorhanden. Es wird bloß nicht genutzt."

Dennoch: So mancher potentielle Windrad-Eigner bekommt derzeit laut Regierungsvizepräsident Dieter Boll "kalte Füße". Zumal im Januar dieses Jahres eine Novellierung des Baugesetzbuches in Kraft getreten ist, die einen "weiteren Wildwuchs" von Windrädern verhindern soll. Die Kommunen haben zwei Jahre Zeit, Flächen für Windparks auszuweisen - und dürfen bis dahin den Bau von Windrädern untersagen. Surrende Rotoren und Schlagschatten haben für einen Akzeptanzverlust gesorgt. Theilen: „Leute, die noch vor Jahren glühende Befürworter der Windenergie waren, treffe ich heute auf der anderen Seite wieder.“

Ein Trend, den Bezirksregierungs-Pressesprecherin Herma Heyken untermauern kann: Anläßlich einer Hausarbeit für ihr Abendstudium hat Heyken AnwohnerInnen von Windrädern in der Gemeinde Dornum befragt und herausgefunden, daß sich 50 Prozent der DornumerInnen von den Anlagen genervt fühlen. Die Touristen hielten die Riesen-Propeller aber eher für eine Attraktion.

Eine Attraktion indes, die bald auch im Wattenmeer zu finden sein könnte. Die ersten beiden Raumordnungsverfahren für "Offshore-Windparks" laufen. Doch noch ist nicht geklärt, wer den im Schlick produzierten Strom, abnehmen wird: Die EWE ist nicht verpflichtet, Strom einzuspeisen, der außerhalb ihres Verbreitungsgebietes produziert wird. Und dieses Gebiet endet an der Küste. Windpark-Planer Heck: "Offshore-Anlagen werden sich momentan nicht durchsetzen. Windräder im Wattenmeer rentieren sich bei der Gesetzeslage ebensowenig wie Wasserwerke in der Wüste." Jens Breder