Teure Bruchbuden und andere Ladenhüter

■ Hat der Aufsichtsrat des HSV noch immer „volles Vertrauen“zu seinem Vorstand?

Gleicher Ort, derselbe Anlaß. Heute um zehn Uhr bittet der HSV erneut ins Elysee-Hotel, um der Welt zu beweisen, daß der Club vom Rothenbaum alles im Griff hat. Damit die Medien-Offensive nicht wie beim ersten Mal nach hinten losgeht, laden Vorstand und Aufsichtsrat gemeinsam ein. Das soll das gegenseitige Vertrauen öffentlich unterstreichen.

Sensationell Neues wird vermutlich heute vormittag nicht zu erfahren sein. Dafür spricht, daß der gesamte Vorstand abwesend sein wird, wenn über die „Ergebnisse der Aufsichtsratssitzung (gestern nacht nach Redaktionsschluß beendet; die Red.) informiert“werden soll, wie der HSV verlauten ließ. „Herr Seeler, Herr Engel und Herr Lange haben anderes zu tun“, erklärte HSV-Pressesprecher Michel Rodzynek gestern der taz. Der vierte im Bunde, Harry Bähre, scheint nicht so wichtig zu sein.

Statt dessen wird Geschäftsführer Werner Hackmann das Wort ergreifen und gemeinsam mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Uwe Bandow durch die Pressekonferenz führen. Hackmann gehört zwar nicht dem Vorstand an, darf aber „in dessen Namen“sprechen, wie Rodzynek versicherte.

Wie vor der Sitzung des im November gewählten Kontrollgremiums zu erfahren war, konzentriert sich das Interesse des Aufsichtsrats, dem Hackmann bislang angehörte, inzwischen auf die undurchsichtigen Immobiliengeschäfte des Vereins. Ladenhüterige Fan-Artikel wie Jutetaschen, Autowaschmittel und überhöhte Mietpreise für Lagerhallen sind nicht mehr von Bedeutung, seit bekannt ist, daß der HSV fast 20 Millionen Mark in ostdeutsche Immobilien investiert hat. „Es geht hier um die Zukunft des Vereins“, erklärte ein Aufsichtsratmitglied gegenüber der taz, „da muß man kritisch nachfragen.“Die Antworten werden entsprechend knapp sein, so wie man die HSV-Verantwortlichen derzeit kennt: „Alles in Ordnung.“

Das ist jedoch anscheinend nicht der Fall. Nach Informationen der Morgenpost sollen die Objekte „total überteuert“eingekauft worden sein. Das krasseste Beispiel: Ein Haus („'ne alte Bruchbude“), das laut Mopo lediglich 3,1 Millionen Mark wert sein soll, habe der HSV für 7,6 Millionen Mark gekauft.

Was mit dem Differenzbetrag geschehen ist, möchte nicht nur der Aufsichtsrat gerne wissen. Für Provisionen sollen die Millionen jedenfalls nicht draufgegangen sein. „Es sind keine Provisionen gezahlt worden – weder vom HSV noch von anderen. Keines der Vorstandsmitglieder war oder ist an den Projekten beteiligt“, sagte der zweite Vorsitzende des HSV, Volker Lange, dem Abendblatt. Das Geschäft sei von Schatzmeister Jürgen Engel entwickelt worden.

Der 61jährige hat in den vergangenen Tagen jede Schuld von sich gewiesen, obwohl der Druck immer stärker wurde. Es ist nicht anzunehmen, daß sich dies ändern wird. Die heutige Pressekonferenz dürfte nur kurz für Beruhigung sorgen. Clemens Gerlach