Graziles Trampeltier

■ Allein unter Hengsten: Eine ex-klusive Audienz bei „Fima“, Kamel aus Kalmückien, leicht sabbernd

Fima ist leicht abgetörnt. In seinen sechs Zirkusjahren sah das Trampeltier schon mal bessere Zeiten. Mißvergnügt blinzelt es auf die graue Beck's-Fassade: „Grünenkamp, na, vielen Dank.“scheint sich das arme Kamel zu denken - von einer grünen Wiese sieht es keine Spur. Auf dem Heilig-Geist-Feld in Hamburg, wo der Zirkus William Althof mit seinen feurigen Pferden und dem einsamen Kamel zuvor gastierte, war das etwas anderes. In fröhlichem Paßgang sei Fima da übers weitläufige Gelände gestapft, erzählt Claudia Lesker („Ich bin die Frau des Stallmeisters“); an den ersten zarten Gräschen habe er sich gelabt und sich rundherum wohlgefühlt. Und nun dies: Fima schürzt indigniert seine vollen Lippen. Es bedarf schon eines Foto-Termins, damit er seine Nüstern endlich mal aus der Manege raus in die frische Frühlingsluft halten kann. Aber richtig aufzuheitern vermag das den 22jährigen heute auch nicht mehr. Gelangweilt stemmt er seine gepolsterten Schwielensohlen ins Grünenkamp-Pflaster. So muß sich Alexander Nikolajew, sein Partner und Dompteur, schon mächtig in Zeug legen, bis Fima zeigt, was er so drauf hat. Dann endlich kreuzt der Trampel grazil die Vorderhufe, die Passanten bleiben stehen, staunen – und erleichtert grinst Herr Nikolajew: Na also. Kamele sind keine Spielverderber.

Vor 18 Jahren war der grauhaarige Dompteur, der Hochseilakrobatik müde, von Rußland nach Sibirien gereist und hatte sich das vier Jahre junge Altweltkamel aus Kalmückien nach Moskau geholt. Schluß mit dem Lasttier-Dasein. Mit dem Moskauer Staatszirkus sind Herr und Tier dann durch die Welt gezogen und haben mit ihren harmlosen Späßen für die Lachnummern gesorgt. In all den Jahren, die der Artist mit seinem Kamel nun zusammenlebt, habe ihn das dickfellige Tier noch nie im Stich gelassen, betont der 53jährige Russe gestenreich. Schnell fährt er dem alten Freund nochmal übers Maul, schleudert einen halben Arm voll Sabber aus dem Blickfeld. Wenn er auch nur ein Kamel hat unter lauter stolzen „Traumpferden“, schön soll Fima trotzdem sein. Nun aber ab marsch zurück in die Manege!

Doch auf Befehl läuft beim Kamel nun gar nichts mehr. Fima nämlich hat unterdessen die städtische Bedürfnisanstalt am Wegesrand entdeckt – ein netter Anlaß, um sich wollüstig das sommerlich gerupfte Fell zu scheuern. Fröhlich wirbeln die Beine. Entschuldigend gestikuliert Herr Nikolajew was von „Period“. Sein armer Kleiner ist in der Brunft, und links und rechts gibt's nichts als wilde Hengste in der Manege. Ein paar Tage wird man also noch Fimas Laune ertragen müssen - doch ergeben trottet er quer durch die Zirkus-Cafeteria hinter seinem Meister her, umwölkt von wahrscheinlich düsteren Gedanken und einem leicht ranzigen Geruch. fk