piwik no script img

Sparbrötchen mit urbanem Credo

■ Tom Koenigs mußte als Kämmerer ein rigoroses Sparprogramm auch gegen die grüne Klientel durchsetzen. Er fürchtet die finanzielle „Enthauptung“ der Großstädte

Sparbrötchen, Sparkommissar, Zuchtmeister und Preuße ist er genannt worden, der erste bündnisgrüne Stadtkämmerer der Bundesrepublik. Sein Amt trat er im Juli 1993 in der gleichzeitig reichsten und am schwersten verschuldeten Kommune der Republik mit seinem seither immer wiederholten Glaubensbekenntnis an: „Man kann nicht mehr ausgeben, als man einnimmt.“

Zumindest manche SPD-Verantwortlichen, so kann man unterstellen, überließen ihrem damaligen Koalitionspartner den Krisenjob mitsamt mehr als acht Milliarden Mark Schulden freudig. Tom Koenigs wurde zum furiosen Verfechter einer Verwaltungsreform, bei der weniger Beamte mehr, dafür aber mit größerer finanzieller Entscheidungsfreiheit arbeiten sollten. Strenge Haushaltskontrolle hieß eines seiner Zauberworte, Privatisierung ein anderes, das manchmal auch seinen eigenen ParteigenossInnen zu weit ging und hin und wieder Demonstrationen gegen den ehemaligen Sponti-Linken und Häuserkämpfer auf den Römerberg brachte.

Der strich währenddessen nicht nur Stellenpläne und Etats zusammen, sondern verkaufte, um den Haushalt zu sanieren, auch städtische Aktien im Wert von fast 650 Millionen Mark, Weingüter und Grundstücke, siedelte Behörden kostengünstig aus teuren in billigere Immobilien um. Er erhöhte Gewerbe-, Grund- und Hundesteuern sowie die Gebühren für die Benutzung kommunaler Einrichtungen, trieb Schulden ein. Rat holte er sich dabei auch bei Bankiers und aus der Wirtschaft. Sein Ansehen wuchs. Der Vorzeigegrüne mit dem bescheidenen Gestus avancierte zum anerkannten Wirtschaftsexperten und -theoretiker. Koenigs, 1944 in Pommern geboren, hatte erste Erfahrungen bei einer Lehre als Bankkaufmann gesammelt, dann bei einer englischen Bank volontiert. In Berlin studierte er Betriebswirtschaft und war Tutor für Wissenschaftstheorie und Politische Ökonomie an der FU. Während der APO-Zeit verschenkte er sein ererbtes Vermögen an den Vietkong und den chilenischen Widerstand. 1972 ging er in die Produktion: Er arbeitete als Schweißer bei Opel Rüsselsheim und wirkte zusammen mit Joschka Fischer in der Betriebsgruppe „Revolutionärer Kampf“. Es folgte eine Lehre als Feingeräteelektriker. Er fuhr Taxi, besorgte die Buchhaltung für einen linken Buchladen und übersetzte lateinamerikanische Texte. Mitglied der Grünen wurde er 1983. Er verhandelte mit der SPD im Landtag insgesamt sieben Haushalte. Das habe ihm „großen Spaß“ gemacht; ihn reize diese „Verbindung von Aktenstudium, die Möglichkeit, meine Konzentrationsfähigkeit voll auszunutzen und damit Politik machen zu können“. Vielen galt er als „graue Eminenz“ der Bündnisgrünen im Landtag. 1987 bis 1989 war er Büroleiter von Umweltminister Fischer. 1989 wurde er Umweltdezernent in Frankfurt.

Seine Gesprächspartner in der Umwelt- und Finanzpolitik suchte sich Koenigs auch in der CDU. Gegen den Vorwurf, sein bündnisgrünes Profil sei nicht mehr erkennbar, und er habe sich mehr und mehr zum grünen Grafen Lambsdorff gewandelt, wehrte er sich mit dem Hinweis, daß ohne Mehrheiten gar nichts gehe und der ökologische Umbau der Geselschaft eben länger dauere, als gedacht. Mit dem Niedergang der FDP, hatte er aber einmal gesagt, sei es notwendig geworden, über die Rolle der Bündnisgrünen zwischen den beiden großen Parteien neu nachzudenken. Seit Beginn seiner Amtszeit wetterte er, ganz im Sinne des Städtetages, parteiübergreifend gegen die „Enthauptung“ der Großstädte durch die umliegenden Gemeinden im „Speckgürtel“, die alle Dienstleistungen nutzten, aber die Kosten dafür nicht tragen wollten und forderte einen gerechteren Finanzausgleich. Das ging, von Frankfurt aus gesehen, vor allem an die Adresse des Offenbacher SPD-Bürgermeisters Grandke, der sich ebenfalls als Sparkünstler profilierte, indem er Schwimmbäder und Theater schließen ließ.

Die von Bonn vorgesehene Abschaffung der Gewerbesteuern ab 1998 nannte Koenigs „ein Todesurteil für Frankfurt“. Urbanität aber sei, sagte er im vergangenen Jahr, die „treibende Kraft einer europäischen Demokratie“, Städte Horte der Zivilisation, der sozialen Integration, des friedlichen Zusammenlebens der Menschen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen