Liebesgrüße mit der E-Mail

■ Das Frauen-Mailboxnetz FemNet erleichtert Frauen den Weg ins Internet. An öffentlichen Computern im Café Begine und demnächst im Frauenbuchladen Lilith können Frauen die virtuelle Welt erobern

So ein Elend. Die Liebste studiert Tausende von Kilometern entfernt in Brasilien. Briefe brauchen drei Wochen, stundenlange Telefonflirts sind auf Dauer ruinös. Jetzt sitzt Silja im Frauenkulturzentrum Begine und strahlt. Gerade hat sie sich mit fünf anderen Frauen ins FemNet einführen lassen. Und ist begeistert von den Möglichkeiten des ersten überregionalen deutschsprachigen Frauen-Mailboxnetzes. Künftig schickt Silja ihre Liebesgrüße an die Copacabana via Datenfernübertragung. Zum Ortstarif.

Jede FemNet-Nutzerin erhält eine E-Mail-Adresse: ein eigenes elektronisches Brieffach, mit der sie ans Internet angeschlossen ist und Post aus aller Welt bekommen und per Mausklick rund um den Globus senden kann. Zudem enthält das FemNet einen ständig aktualisierten Pool von Informationen, der für Frauen interessant ist. „Auf den öffentlichen ,Brettern‘, elektronischen Pinnwänden, sind alle Themen von A wie Arbeit bis W wie Wohnen vertreten“, erläutert Silke Faubel vom Frauen- Computer-Zentrum Berlin (FCZB) in der Kreuzberger Cuvrystraße. Dort ist der Berliner Ableger des FemNet untergebracht. Forschende Frauen diskutieren über das FemNet ihre neuesten Ergebnisse im Brett „Frauenarchive“. Vom „Bildungsbrett“ können Interessierte nach Kursangeboten im Westerwald suchen. „Mädchen only“ dürfen das gleichnamige Brett anklicken, Erwachsene quatschen nicht besserwisserisch dazwischen. Und auf dem „Witzebrett“ wird nicht nur über Männer gelacht. „Hier haben Frauen miteinander zu tun, die sich sonst nie getroffen hätten“, verweist Faubel auf den verbindenden Charakter des FemNet.

Lesben können Kontakte zu den „Fat Dykes“ aus den USA knüpfen, und zwar über sogenannte Mailing-Listen. Diese heben die FemNet-Systembetreuerinnen aus dem Internet in die deutschsprachige Frauen-Mailbox. Auch ohne eigene Internet- Auffahrt, erklärt Faubel, sei so der Anschluß an die Diskussionen im weltweiten Netz gewährleistet.

Ende 1994 installierten zwei EDV-Dozentinnen in Wiesbaden die erste regionale Mailbox unter dem Namen „Frauen erobern Mailbox-Netze“, kurz: FemNet. Ein Name mit Programm. Inzwischen gibt es in neun Städten Mailboxen, zuletzt haben sich Münchnerinnen eingeklinkt. „Die Idee ist, daß Frauen die elektronische Kommunikation nutzen, und zwar schnell“, unterstreicht Faubel. Nur Frauen haben Zutritt ins FemNet. Wer sich einloggen will, muß sich einem geschlechtserkennenden Telefonanruf unterziehen. Damit wird der alten feministischen Forderung nach männerfreien Räumen in der virtuellen Welt Rechnung getragen. Frauenzimmer für Frauenzimmer sozusagen.

Die Berliner Frauen-Mailbox besteht seit März 1995. Rund 90 Frauen und 20 Frauenprojekte sind mittlerweile in Berlin Userinnen, nutzen also das FemNet. Die Teilnahme kostet für Projekte 20 und für Privatpersonen 12,50 Mark pro Monat, Studentinnen und Erwerbslose zahlen die Hälfte und Mädchen bis zu 16 Jahren nichts. Am Preis, da ist sich Fauber sicher, liegt es nicht, daß sich gerade Projekte mit dem Einstieg ins FemNet zurückhalten. „Vielmehr spielen bei einigen ideologische Vorbehalte eine Rolle“, so die FCZB-Mitarbeiterin, andere hätten vor der neuen Technik Muffensausen. Die 40jährige Soziologin hofft darauf, daß zukünftig mehr Fraueninitiativen die Öffentlichkeitswirksamkeit des FemNet für sich entdecken. „Es muß selbstverständlich werden, Informationen nicht nur über Flugblätter und Zeitungen zu verbreiten, sondern uns auf Diskette zur Verfügung zu stellen, damit wir sie ins Netz einspeisen können“, fordert Faubel.

Erste Schritte ins Frauennetz können im Begine-Café unternommen werden. Dort steht seit einigen Wochen ein Computer, der über ein Modem und das Telefon an die Mailbox in der Cuvrystraße angeschlossen ist. „Schon vermailed?“ Jeden Dienstag um 19 Uhr öffnet die Begine-Mitarbeiterin Tamara Multhaupt Frauen den Weg ins Netz. Bald soll ein zweiter öffentlicher Terminal im Frauenbuchladen Lilith in der Knesebeckstraße eingerichtet werden – für alle, die erst mal ins Frauennetz schnuppern möchten, bevor sie sich privat ins virtuelle Wagnis stürzen. Monika Hinner