„Kein willenloser Spielball seiner Obsessionen“

■ Psychiatrisches Gutachten über Hautarzt im Prozeß um Prostituiertenmord

Ehrgeizig, angepaßt und unauffällig – das sind die äußerlichen Merkmale, die sich wie ein roter Faden durch das Leben des 36jährigen Hautarztes Stefan S. ziehen. Der wegen vollendetem und dreifachen versuchten Prostituiertenmordes angeklagte Dermatologe muß sich, wie berichtet, seit November vor dem Landgericht verantworten. Er soll zwischen 1988 und 1996 eine Prostituierte ermordet und drei weitere Frauen schwer verletzt haben. Der Staatsanwalt glaubt, den Angeklagten, der sämtliche Taten bestreitet, in dem Mordfall anhand mehrerer Polaroidfotos zu überführen. Von der Leiche fehlt jede Spur.

In einem umfangreichen psychiatrischen Guachten legte der Nervenarzt Hans Ludwig Kröber gestern dar, was den Angeklagten zu den Taten bewogen haben könne, vorausgesetzt, die Vorwürfe treffen zu. Stefan S. leide an einer „ausgeprägten destruktiven Störung im sexuellen Bereich“. Aufgrund seiner überdurchschnittlichen Intelligenz sei er aber nicht „willenloser Spielball seiner Obsessionen“ gewesen. Stefan S. habe in seinem Leben nur zwei ganz kurze Beziehungen zu Frauen gehabt und ansonsten nur mit Prostituierten verkehrt. Er kenne Sexualität nur als technische Angelegenheit, „ohne Austausch von Wärme und Zärtlichkeit“. Kindheit und Jugend verbrachte der Sohn eines Bonner Verwaltungsjuristen laut Kröber ausschließlich hinter Schulbüchern. Seine Abiturnote 1,3 wurde „mit sehr hohem Ehrgeiz erkämpft“. Seine Hauptbezugsperson sei seine Mutter gewesen, eine omnipräsente Frau, die ihn unter einer Glocke zu halten versucht habe.

Das Rotlichtmilieu, das Stefan S. während seiner Zeit beim Wehrdienst kennengelernt hatte, habe ihn so fasziniert, weil es das krasse Gegenstück zu seiner „sauberen, geordneten Herkunft“ gewesen sei. Der Gutachter bescheinigte Stefan S., vorausgesetzt, er habe die Taten begangen, eine verminderte Schuldfähigkeit infolge einer schweren seelischen Abartigkeit. Seine Tötungsabsichten könnten Folge eines tiefgehenden Hasses auf Frauen sein, der möglicherweise auf seine Mutter zurückgehe. Daß er die Leiche in seiner Wohnung mehrere Tage aufbewahrte und fotografierte, erklärte der Gutachter damit, daß ihn „Macht- und Triumphgefühle“ möglicherweise sexuell erregt hätten.

Kröber kam zu dem Schluß, daß bei Stefan S. ein Hang zu weiteren aggressiven Übergriffen auf Frauen zu befürchten sei. Er sprach sich deshalb im Falle einer Verurteilung für eine Unterbringung im Maßregelvollzug oder in der Sicherungsverwahrung aus. Plutonia Plarre