... und er schuf sie nach seinem Bilde

■ Schönheitschirurgie: Männliche Ärzte schlüpfen in die Rolle des Priesters, Schöpfers oder Künstlers. Es funktioniert, weil Frauen sich „mangelhaft“ fühlen

In ihrem Buch „Nach seinem Bilde Schönheitschirurgie und Schöpfungsphantasien in der westlichen Medizin“ gelingt Ethnologin, Hebamme und Fachzeitschriftenredakteurin Angelica Ensel eine Annäherung an dieses Thema von einer ganz neuen Seite. Hier geht es nicht um das Machbare, Techniken und wissenschaftliche Weiterentwicklungen. Vielmehr wird der Blick für das geschärft, was normalerweise nicht sichtbar wird, worüber nicht gesprochen wird, kurz, für all das, was dieses Thema beinhaltet und was zugleich unbeschrieben bleibt.

Daß Schönheitschirurgie boomt, beweisen die nüchternen Zahlen. Sie belegen, daß in den letzten fünf Jahren die Zahl der durchgeführten Eingriffe um mehr als 50 Prozent gestiegen ist. Zugleich ist das Thema mit einer Reihe von Tabuisierungen belegt. So fehlt in der Darstellung der Medien beispielsweise die Betrachtung der Ärzte, die diese Operationen durchführen. Auch ist das Geschlechterverhältnis auffallend unausgeglichen, unterziehen sich doch 80 Prozent der Frauen einer schönheitschirurgischen Prozedur, während es bei den Männern nur 20 Prozent sind, die sich zu einem Eingriff entschließen.

Sie begeben sich damit fast immer in die Hände eines männlichen Operateurs, was bedeutet – so der Schluß der Autorin –, daß sich immer mehr Frauen als „mangelhaft“ empfinden und darauf vertrauen, daß ihre „Mängel“ von männlichen Ärzten behoben werden können. Doch die schönheitschirurgischen Behandlungen gehen zum großen Teil über die Grenze des menschlichen Körpers, nämlich „unter“ die Haut. Diese Grenzüberschreitung stellt einen Eingriff in die Identität des/der PatientIn dar, weil nicht nur neue Körper, sondern auch neue Identitäten „gemacht“ werden, was den Begriff der Macht ins Spiel bringt.

Dabei ist auffallend, wie viele der Schönheitschirurgen sich selbst inszenieren und in die Rolle des Schöpfers, Priesters und Künstlers schlüpfen. Der Autorin gelingt es, detaillierte Selbstbilder der Ärzte zu zeichnen. Sie entlarvt sie, wenn sie über ihre Arbeit sprechen. Erschreckend verdeutlichen Zitate, wie Patientinnen gesehen und bewertet werden. Letztendlich dient jede Patientin auch der Selbstbespiegelung des Chirurgen, der sich mit jeder „Neuschöpfung“ ein neues Denkmal setzt, legitimiert durch die Aussage, daß das Selbstwertgefühl der Patientin hinterher ein neues, glücklicheres sei. Gleichzeitig ist er in seinem Selbstbild als Künstler dazu verdammt, ununterbrochen neue „Geschöpfe“ zu produzieren. Seine Kunstwerke sind dem Verfall geweiht, so daß er am Ende nur eine Fotomappe in den Händen hält.

Durch den beharrlichen Blick der Ethnologin gelingt es Ensel, die soziologisch-kulturellen Verknüpfungen aufzuzeigen und somit den Finger in eine uralte Wunde zu legen: Die Entmachtung der Person mittels der Deformierung ihres Körpers. Dies scheint paradox zu klingen, da ja gerade Deformierungen behoben werden sollen. Doch da das Wesen der Frau in seiner ursprünglichen Form eine Bedrohung darstellt, muß es umgeformt werden.

Die Autorin sieht in der Schönheitschirurgie die modernste Form der Unterdrückung jeder Weiblichkeit, da die Frau nur auf einen Aspekt reduziert wird, nämlich den der Schönheit, und auch diese wird auf männliche Weise definiert und nachgebaut. Welche Auswirkung das auf das Selbstwertgefühl der Frau haben muß, beschreibt Clarissa P. Estés beeindruckend:

„Die permanenten Werturteile über Frauenkörper, welche den beschränkten Idealvorstellungen nicht entsprechen, haben eine Nation von großen Frauen mit eingezogenen Köpfen hervorgebracht, von kleinen Frauen auf hohen Absätzen, von üppigen Frauen unter schwarzen Zelten, von dünnen Frauen mit ausgestopften Konturen und weiteren Frauen, die dies oder jenes kunstvoll verstecken.“

Und weiter: In der schönheitschirurgischen Geschlechter-Beziehung „dient die Formung und Begrenzung der einen Identität der Entfaltung der anderen. Während die Frau auf ihren Körper und in ihren Grenzen reduziert wird – und sich reduzieren läßt –, erweitert der Arzt seine Grenzen; er inszeniert sich in den verschiedenen Rollen, die alle einen hohen sozialen Status und damit aufwertende Funktionen haben.“ Dorothea Hoppe-Dörwald

Angelica Ensel: „Nach seinem Bilde. Schönheitschirurgie und Schöpfungsphantasien in der westlichen Medizin“.

Verlag Verein Feministische Wissenschaft, Bern 1996