Keine Stütze für zehnköpfige kurdische Familie in Bremen

■ Verwaltung streicht die Sozialhilfe – Begründung: Es wurde in Rheinland-Pfalz Asyl beantragt / Verfassungsbeschwerde eingereicht

Ein Bremer Behördenfehler stürzt die kurdische Familie Karabas unverschuldet in Not. Die asylrechtlich anerkannte Familie soll wieder zurück nach Rheinland-Pfalz, obwohl sie sich hier in Bremen weitgehend eingelebt hat und rassistische sowie politische Verfolgung in Rheinland-Pfalz befürchtet. Der Anwalt der Familie, Eberhard Schultz, hat darum jetzt das Bundesverfassungsgericht angerufen, um den Karabas' ein Bleiberecht in Bremen zu erhalten.

Sultan Karabas erhielt mitsamt seiner zehnköpfigen Familie wegen massiver politischer Verfolgung in der Türkei bereits 1995 Asyl in Rheinland-Pfalz. Bis zum März vergangenen Jahres lebte er dort in einem kleinen Dorf in der Gemeinde Betzdorf. Allerdings wurde die Familie auch dort verfolgt. Nachbarn zündeten Wäsche an, die zum Trocknen vor dem Haus hing. Die Kinder wurden in der Schule massiv von türkischen MitschülerInnen beschimpft und bedroht. „Ein Bleiben in dem Dorf war untragbar“, so Anwalt Schultz.

Daraufhin nahm die Familie Kontakt mit Verwandten in Bremen auf und stellte hier einen Antrag auf Sozialhilfe. Diesem Antrag wurde stattgegeben, die Familie siedelte um. Inzwischen ist der älteste Sohn in Lohn und Brot, die jüngeren Kinder in der Schule – mitten im Schuljahr, inklusive neuer FreundInnen.

Am 5. Dezember erhielt die Familie dann einen Brief vom Bremer Sozialamt. Die finanzielle Unterstützung werde ab Monatsende eingestellt. Zur Begründung sagte Holger Bruns-Kösters, Sprecher der Sozialbehörde: „Ein Sachbearbeiter hat bemerkt, daß anfangs bei der Gewährung der Sozialhilfe ein gravierender Fehler gemacht wurde. Die Familie darf laut Bundessozialhilfegesetz nur in dem Bundesland Sozialhilfe beantragen, wo sie ihr Aufenthaltsrecht erhalten hat.“Das sei eine ärgerliche Situation, die leider nicht zum ersten Mal vorgekommen sei. So habe es erst im vergangenen Jahr einen Fall gegeben, in dem eine Familie wieder zurück nach Sachsen-Anhalt mußte.

Für die Familie Karabas ist aus dem „ärgerlichen“Behördenfehler ein Kampf um die Existenz geworden. Da auch die Verwandten hier in Bremen von Sozialhilfe leben, sieht sich Sultan Karabas außerstande, die Miete zu bezahlen. Die Familie muß täglich mit einer Räumung rechnen. Nicht zuletzt siedelte man erst nach Bremen um, nachdem die hiesige Behörde grünes Licht gegeben hatte. „Zusätzlich stellt sich die Beschaffung von geeignetem Wohnraum für die zehnköpfige Familie als unlösbares Problem dar, wie sich aus einem mir vorliegenden Schreiben der Gemeindeverwaltung Betzdorf ergibt“, sagt Anwalt Schultz.

Er stellt darum fest: Die Notsituation der Familie Karabas resultiert aus dem Behördenfehler. Und die Regelung nach Paragraph 120 des Bundessozialhilfegesetzes stellt einen eklatanten Verstoß gegen die Grundrechte der Freizügigkeit und Menschenwürde dar. Daher läuft jetzt per Eilantrag die Verfassungsbeschwerde, so Schultz.

Sozialsprecher Bruns-Kösters begrüßt diese Verfassungsbeschwerde ausdrücklich: „Es wurde Zeit, daß sich das Bundesverfassungsgericht mit diesem Passus beschäftigt.“Bis zu einer Entscheidung der Karlsruher Richter will die Familie Karabas jedenfalls noch in Bremen ausharren.

Wie, das wissen sie selbst noch nicht. „Eigentlich müßten die Bremer Behörden eine Übergangshilfe bezahlen“, sagt die zuständige Sozialarbeiterin Martina Renner. „Schließlich hat die Behörde den Fehler gemacht. Statt dessen läßt man die Familie mittellos im Regen stehen. Damit büßen Unschuldige für den Mist, den die Verwaltung verzapft.“ Jens Tittmann