Nur überleben

■ Orchester wiederentdeckt Goldschmidt

Am 14. Juni 1995 schrieb der Komponist Bertold Goldschmidt an die Philharmonische Gesellschaft in Bremen: „Besten Dank für Ihre Mitteilung über das Engagement von Kolja Lessing für Aufführung meines Violinkonzertes im März 1997. ,All going well' würde ich der Einladung, dabei zu sein, gerne folgen.“Das konnte der 1903 geborene Komponist leider nicht mehr: Der 93jährige starb am 17. Oktober vergangenen Jahres in London, wo er seit 1935 lebte und als Dirigent namhafter Orchester tätig war.

Kurz vor seiner Emigration hatten die Nazis die Berliner Aufführung seiner Oper „Der gewaltige Hahnrei“verhindert. Man müsse, sagte er einmal verschmitzt über sein sechs Jahrzehnte währendes Exil, „nur überleben“. „Ich habe“, erklärte Goldschmidt vor zehn Jahren in einem Interview, „nie aus meinem Judentum einen Hehl gemacht. Ich habe nie meinen Namen wechseln wollen, wie mir in England manchmal nahegelegt wurde.

Die Philharmonische Gesellschaft hat zur Aufführung des Violinkonzerts am heutigen Montag und morgen auf Anregung von Kolja Lessing eine Ausstellung mit dem Titel „Berthold Goldschmidt – vergessen und wiederentdeckt“über das Leben des jüdischen Komponisten zusammengestellt, die im Foyer der Glocke gezeigt wird. Konzeption und Gestaltung der sechsteiligen Schau stammen von Barbara Busch, die Laien und Fachleuten Einblicke in bislang unveröffentlichte Dokumente verschaffen will. Busch arbeitetet zur Zeit an einer Dissertation über das Werk Bertold Goldschmidt. Sie wird zur Eröffnung anwesend sein. Neben dem Goldschmidt-Violinkonzert werden Werke von Rudi Stephan und Ludwig van Beethoven (Zweite Sinfonie) zu hören sein. usl

9. Philharmonisches Orchesterkonzert heute und morgen in der Glocke