Geiselnahme in Lima untergraben

■ Perus Polizei baut angeblich Tunnel zu besetzter Residenz

Buenos Aires (taz) – Zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen gerät das Haus, in dem das Büro des Deutschen Entwicklungsdiensts (DED) in Lima untergebracht ist, ungewollt in die Schlagzeilen. Zuerst hatte sich die „Revolutionäre Bewegung Túpac Amaru (MRTA)“ am 17. Dezember über das Gebäude Zugang zur Residenz des japanischen Botschafters verschafft und die dort anwesenden hochrangigen Partygäste als Geiseln genommen. Jetzt versucht angeblich die peruanische Polizei von dem selben Gebäude aus, einen Tunnel in Richtung besetzter Residenz zu graben.

Diese Ansicht vertritt zumindest der Kopf des Guerilla-Komandos, Nestor Cerpa Cartolini. Aus Protest gegen den angeblichen unterirdischen Angriffsversuch der Polizei brachen die Geiselnehmer am Wochenende ihre Verhandlungen mit der Regierung ab. Für die weiterhin in dem Gebäude festgehaltenen 72 Geiseln ist damit die Hoffnung auf baldige Freilassung weiter gesunken.

Die Regierung von Präsident Alberto Fujimori lehnt wie gewohnt jede Stellungnahme zu den Anschuldigungen von Cerpa ab. Der Polizeichef von Lima, Oberst Frenan Zapata, nannte die Angaben eine „Erfindung der Geiselnehmer“. AnwohnerInnen wollen jedoch schon vor Wochen beobachtet haben, wie Polizisten Baumaterial in das Haus, das genau an den Garten der Residenz grenzt, geschleppt haben. Später sollen größere Mengen Schutt herausgetragen worden sein. Beobachter vor Ort spekulieren nun, die seit Wochen aus vor der Residenz postierten Polizeilautsprechern dröhnende Marschmusik solle nicht nur die Entführer psychisch demobilisieren, sondern vor allem die Grabgeräusche übertönen.

Dennoch bleiben die Angaben über den Tunnelbau zu Lima Spekulation. Journalisten ist der Zugang zu dem gesamten Arreal versperrt. Die oppositionelle Tageszeitung La República zeigt sich davon überzeugt, daß Antiterrorbeamte mit Spaten und Pickel unter der Erde zugange sind. Die anderen Zeitungen Perus bewerten Cerpas Aussage eher skeptisch.

Der Kongreßabgeordnete Carlos Chipoco von der Union Por el Peru (UPP) beschuldigt Cerpa gar, seine „Erfahrung als Gewerkschaftsfunktionär“ ausgenutzt zu haben, um „die Aufmerksamkeit auf seine Forderungen zu lenken“. Die MRTA hält an ihrer Hauptforderung nach Freilassung aller ihrer etwa 400 in peruanischen Gefängnissen sitzenden Anhänger fest.

Fujimori hat bisher bei jeder Gelegenheit den Satz heruntergebetet, für ihn käme eine Freilassung auch nur eines einzigen MRTA-Gefangenen nicht in Frage. Indirekt hat dieser jetzt jedoch über seinen Justizminister Carlos Hermoza der MRTA einen Deal vorgeschlagen: Wenn „das Problem der Botschafterresidenz“ gelöst sei, werde „die Verbesserung der Haftbedingungen der wegen Terrorismusdelikten gefangenen Straftäter Bestandteil des allgemeinen Themas von Überprüfungen sein“. Damit dürfte klar sein, wie Fujimoris Verhandlungsangebot an die MRTA aussehen wird: Verbesserung der Haftbedingungen der Gefangenen der MRTA in Peru und ungehinderte Ausreise der Geiselnehmer nach Kuba. Ingo Malcher