Chronisch Kranke zahlen drauf: Eine neue Studie von Sozialforschern

Berlin (taz) –Wer gesund ist, möchte mit Krankheit möglichst nichts zu tun haben. Vor allem nichts mit chronischer Krankheit. Vielleicht erklärt das, warum zwar Tausende auf die Straßen gingen, als die sechswöchige Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gefährdet war. Aber die Kürzung beim sogenannten Krankengeld, das nach sechs Wochen Erwerbsunfähigkeit gezahlt wird, ging Anfang Januar still und leise über die Bühne. Betroffen sind vor allem chronisch Kranke.

Wer länger als sechs Wochen fehlt, bekommt seit Januar von der Krankenkasse statt ehemals 80 nur noch 70 Prozent des vorherigen Bruttolohns an Krankengeld. Über die Auswirkungen befragten Bremer Sozialforscher rund 2.000 KrankengeldempfängerInnen der Schwäbisch Gmünder Ersatzkasse. Fazit: Im Durchschnitt verliert ein Facharbeiter mit der Kürzung 260 Mark im Monat. Und das, obwohl die Betroffenen durch höhere krankheitsbedingte Aufwendungen Mehrkosten von etwa 152 Mark im Monat haben.

„Man sollte überlegen, was man Langzeitkranken zumutet“, schrieb die Ehefrau eines Krebskranken und zählte auf: „Das wenig Ersparte fließt zwischen den Händen dahin. Höhere Benzin- und Fahrtkosten, als normal. Anderes Essen.“

Krankheit wird zum höchsten sozialen Risiko. Rund 90 Prozent der befragten Langzeitkranken haben düstere Aussichten: Sie sind häufig länger krank gewesen oder gelten als schwerbehindert. Das durchschnittliche Einkommen zu „gesunden Zeiten“ lag bei 2.762 Mark netto. Langzeitkranke haben 791 Mark weniger, unter Berücksichtigung der krankheitsbedingten Mehrkosten.

„Die bei oberflächlicher Betrachtung unproblematische ,nur‘ zehnprozentige Reduktion des Krankengeldes ist – nicht nur in Einzelfällen – eine massive finanzielle Belastung der betroffenen Arbeitnehmer“, resümierten die Bremer Sozialforscher. Krankengeldbezug sei überdies „keine kurze Episode finanzieller Entbehrung. Für die allermeisten Betroffenen gelten die skizzierten materiellen Einschränkungen wiederholt und über längere Zeiträume.“ Ein krebskranker 47jähriger Elektriker: „Der Seehofer sollte auch mal versuchen, mit 1.600 Mark Krankengeld mit einer Krebserkrankung auszukommen.“ BD