Auf der Suche nach den DDR-Millionen

■ Verjährungsfrist für DDR-Unrecht wollen SPD-Abgeordnete verlängern

Berlin (taz) – Markus Meckel hatte „einen Stein ins Wasser werfen“ wollen. Vergnügt beobachtete er auf der Expertenanhörung zum „Stand der strafrechtlichen Aufarbeit von DDR-Unrecht und Vereinigungskriminalität“ vergangene Woche in Berlin die Kreise, die sein Wurf auslöste. Mit einigen Parteigenossen rüstet er zum Sturm auf die bevorstehende Verjährung mittelschwerer Straftaten in der DDR zum Ende dieses Jahres. Als „mittelschwer“ gelten Vergehen, die im Falle einer Verurteilung mit Haftstrafen von einem bis fünf Jahren geahndet werden. Diese bleiben ungesühnt, wenn nicht bis zum 31. 12. 1997 eine Klage bei Gericht eingegangen ist.

„Das ist ein mittlerer Justizskandal ohne Not“, meinte Friedhelm Julius Beucher, Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion. Kohl müsse die „Unrechtsbewältigung zur Chefsache machen.“ Die Aufarbeitung des DDR-Unrechts und der Vereinigungskriminalität sei eine nationale Aufgabe.

Zwar sind die anhängigen Verfahren wegen Rechtsbeugung, Nötigung, Erpressung und Urkundenfälschung durch Behörden des SED-Staats weitaus zahlreicher als die aufgedeckten Fälle von Betrug und Untreue im Zusammenhang von Währungseinheit und Privatisierung von DDR-Unternehmen. Aber bei letzteren geht es um Geld. Nicht einmal grob läßt sich abschätzen, welche Summen der Bundesrepublik durch die Lappen gehen, wenn Treuhand-Gaunereien und Währungsschwindel nicht weiter verfolgt werden. Unstrittig ist, daß es sich um Milliardenbeträge handelt.

Volker Neumann, Vorsitzender des Untersuchungsausschusses „DDR-Vermögen“, macht eine „Gerechtigkeitslücke“ aus: „Die Leute haben den Eindruck, daß Bagatellen eher vor Gericht kommen als Fälle von Vereinigungskriminalität, wo die Täter Millionen von Steuergeldern beiseite geschafft haben und ungeschoren bleiben.“ In der juristischen Praxis würde die nunmehr dritte Verschiebung der Verjährungsfrist wenig nützen. Zumal zum 10. Jahrestag des Beitritts am 3. Oktober 2000 eine „absolute Verjährung“ ansteht. Verjährung Ende 1997 oder 1999 – für die aufwendigen Verfahren in Sachen Wirtschaftskriminalität machen zwei Jahre keinen großen Unterschied. Christoph Schaefgen, Leiter der Staatsanwaltschaft II in Berlin, sieht wenig Erfolgsaussichten, sieben bis zehn Jahre alte Fälle von Wirtschaftsvergehen zu klären: „Wenn wir zu sehr auf vergangenes Unrecht fixiert bleiben, vernachlässigen wir die aktuelle Wirtschaftskriminalität.“ Die 1994 gegründete Staatsanwaltschaft II ist für alle Verfahren von DDR-Unrecht und Vereinigungskriminalität in der Hauptstadt zuständig.

Weniger Verjährungsfristen als Personalmangel hindern die Behörde daran, 2.500 Verfahren wegen Regierungskriminalität und 160 Fälle von Vereinigungsbetrügereien abzuschließen. Statt 60 ermitteln nur 45 Juristen. Berlins Justizsenatorin Lore Maria Peschel- Gutzeit (SPD) lehnt eine weitere Verschiebung der Verjährungsfrist ebenso rabiat ab, wie sie vor zwei Jahren gegen den „Schlußstrich“, die Amnestierung von SED-Unrecht, wetterte. „Nur in dringenden Ausnahmen darf in den Lauf der Justiz eingegriffen werden.“ Meckel relativierte unterdessen seinen Vorstoß: Erst müsse man in der Fraktion über einen gemeinsamen Standpunkt diskutieren. Leif Allendorf