Entführung mit Hindernissen

Ehefrau und Hund brachten einen Möchtegern-Entführer völlig aus dem Konzept. Zu guter Letzt floh er überstürzt  ■ Von Lisa Schönemann

Ein ausgesprochener Pechvogel fand sich gestern auf der Anklagebank vor dem Landgericht wieder. Der 31 Jahre alte Insasse der JVA Gelsenkirchen hatte im August 1996 im Hafturlaub versucht, einen Hamburger Bankier zu entführen und war damit schon im Ansatz gescheitert. „Ich hab mir vorgestellt, daß der so für 25 Millionen gut sein könnte“, begründete der Angeklagte vor Aufregung stotternd seine Wahl, die auf Hans-Joachim Berenberg-Consbruch gefallen war. „Mit der Entführung wollte ich meinen sozialen Status verbessern und nicht diesen Lebenskampf führen.“

Eine „kleine Kapitalspritze“, wie der Vorsitzende Richter sich ausdrückte, brauchte der Angeklagte dringend, da er sich für den bevorstehenden großen Coup in Unkosten von rund 5.000 Mark gestürzt hatte und obendrein seine Miete nicht mehr bezahlen konnte.

Trotz minutiöser Vorbereitung kam alles ganz anders als erhofft. Der Angeklagte hatte sich sein finanzkräftiges Opfer aus einem Wirtschaftshandbuch der Handelskammer herausgesucht, hatte Knäckebrot, Dosenwurst und einen Deo-Stift für den Entführten in einem Versteck bereitgelegt. Der auf diese Weise verpflegte Bankier sollte die Wartezeit auf das Lösegeld einigermaßen komfortabel in einem Auto in einer Kampfsporthalle in Hattingen verbringen. Da der Strafgefangene keinen eigenen fahrbaren Untersatz besitzt, wollte er in punkto Fluchtfahrzeug auf den Fuhrpark derer von Berenberg-Consbruch zurückgreifen.

Das Lösegeld in Höhe von 150.000 Mark in kleinen Scheinen und Diamanten im Wert von 25 Millionen Mark sollte nach seinen Plänen kurz vor Oberhausen aus einem Zug geworfen werden.

Am Morgen des 13. August 1996 war es dann soweit: Der Möchtegern-Entführer packte zwei Flachmänner und eine Gaspistole ein und fuhr per Zug nach Hamburg. Als Postbote mit dunkler Hose und hellblauem Hemd ausstaffiert, wollte er sich Zutritt zur Bankiers-Villa verschaffen. Ein eigens adressiertes Paket enthielt mehrere Taucherbrillen mit verklebten Gläsern, Pflaster, ein Elektroschockgerät und Handschellen.

Doch niemand öffnete dem vermeintlichen Postler. Erst nach einer Stunde Wartezeit kam die Gattin des Bankiers nach Hause, bekam einen Heidenschreck und hetzte ihren Cockerspaniel auf den inzwischen mit einer Schlupfmütze maskierten Briefträger. Der Hund wedelte freundlich mit dem Schwanz, der Maskierte war perplex: „Auf eine Frau und den Hund war ich nicht vorbereitet“, sagte er vor Gericht, „sie schien mir obendrein eine Gefahr für mich zu sein, weil sie so resolut war.“

Kurzentschlossen kettete er die Frau im Keller an ein Heizungsrohr. Der Bankiers-Gattin gelang es jedoch wenig später, ihre Hände aus den Handschellen zu winden und einen Zettel mit der Aufschrift „Hilfe, Polizei!“ans Fenster zu kleben. Als ihr 16jähriger Sohn von der Schule heimgeradelt kam, hörte er ihre Hilferufe und holte den Gärtner. Dem Hafturlauber blieb nur noch die überstürzte Flucht.

Als er wenig später gestellt wurde, seufzte er: „Jetzt fahr ich für 15 Jahre ein.“Ganz so viele Jahre werden es nicht sein. Die Staatsanwaltschaft forderte gestern vier Jahre Haft wegen Freiheitsberaubung und Nötigung. Das Urteil soll am Freitag verkündet werden.