„...oder Punkerin der Klassik“

■ Im Gespräch mit der taz: Die kanadische Sängerin Veda Hille

Jetzt ist die kanadische Sängerin, Pianistin und Songwriterin Veda Hille schon zum dritten Mal seit etwas mehr als einem Jahr in Bremen. Wir sprachen mit der Musikerin über Bremen und Deutschland, ihre Vorbilder und Leidenschaften.

taz: Ist diese Stadt so etwas wie Ihr europäisches Basislager?

Veda Hille: Das kann man wohl sagen, denn beim Festival „Women in (E)Motion“bin ich zum ersten Mal überhaupt in Deutschland aufgetreten. Meine Kollegin und Freundin Ani DiFranco hatte mir davon vorgeschwärmt, und ich habe mich hier förmlich beworben, indem ich den Veranstaltern meine Musik zuschickte. Die hat ihnen gefallen, ich war sehr zufrieden mit dem Festival und werde jetzt auch bei meinen Touren hier gut von ihnen betreut.

Hatten Sie nicht Angst, daß viele Nuancen Ihrer Texte vom deutschen Publikum nicht verstanden werden?

Die Worte sind mir sehr wichtig, und bei den ersten Auftritten machte mich dieses Problem tatsächlich etwas nervös. Aber einerseits beherrscht das deutsche Publikum Englisch erstaunlich gut, und zudem bestätigt sich bei meinen Auftritten hier eine meiner Theorien. Ich glaube nämlich, daß man vieles mit dem Herz besser versteht als mit dem Kopf.

Sehr poetisch ist auch der Impuls, der Sie auf den Weg zu Ihrer eigenen Art der Musik brachte.

Nachdem ich zum Glück als Barpianistin gescheitert war, und nach zwei Jahren das Studium an der Kunsthochschule abgebrochen hatte, fiel mir ein Heft mit Gedichten in die Hände, die ich mit neun oder zehn Jahren geschrieben hatte. Das gab mir dann den Mut, nach vielen Jahren wieder selbst etwas zu schreiben, und aus meinen vielen musikalischen Einflüssen wie Klassik, Pop, Jazz und Punk entwickelte ich mir dann die Musik dazu.

Es gibt nicht viele Künstler, die – wie Sie – in einem Atemzug als ihre Vorbilder den klassischen Pianisten Glenn Gould und den Jazzmusiker Thelonius Monk nennen.

Nun, beide waren Exzentriker, und das macht sie für mich schon mal interessant. Glenn Goulds Musik habe ich in meiner Jugend ständig gehört, und sein Tod hat mich mehr aus der Fassung gebracht als der von John Lennon. Auf Monk wurde ich dagegen erst aufmerksam, als viele Zuhörer mir sagten, daß ich ein wenig wie er klingen würde. Dann hörte ich ihn mir bewußt an, und es wurde mir klar, daß mein Pianospiel nicht annähernd so interessant ist wie das seine. Aber ich habe eine ähnliche Vorliebe für Dissonanzen und schräge Akkorde wie er, und so ist Monk, wenn auch eher in der Retrospektive, eines meiner Vorbilder.

Es ist schwer, die passenden Kategorien für Ihre Musik zu finden.

Am glücklichsten bin ich noch mit spielerischen Wortkombinationen, die so widersprüchlich sind wie die Musik selbst. Etwa komplexe Minimalistin oder Punkerin der Klassik.

Warum gibt es bei ihnen so oft einen fast knarrenden Kontrast zwischen Text und Musik?

Wenn alles perfekt passen würde, wäre mir das wohl zu einfach. Ich setzte gerne etwa eine sehr aggresssive und laute Musik gegen intime Texte. Man kommt so tiefer in die Musik hinein. Ich glaubte auch lange, es gäbe schon genug sanfte und melodische Lieder, aber jetzt kann ich auch Lieder singen, die „nur“schön sind. Ich brauche nicht mehr unbedingt etwas zu beweisen. Früher wollte ich auch nie in einem Kleid auf der Bühne stehen. Das Image einer energischen, kraftvollen Frau war mir sehr wichtig. Jetzt kann ich meine Stärke viel subtiler zeigen als in solchen Muskelspielen. Fragen: W. Hippen Veda Hille & Her Smoking Combo spielen Mittwoch, 20 Uhr im Moments und am Freitag um 20 Uhr im Kito