Bissige Krokodile

■ Shakespeare Company zeigt Stück über das legendäre Schlagersextett der 30er, die „Comedian Harmonists“

Sie hießen Harry Frommermann, Robert Biberti, Ari Leschnikoff, Josef Roman Cykowski, Erwin Abraham Collin und Erwin Bootz. Doch diese Namen sind vergessen. Buchstäblich in aller Munde sind dagegen die musikalischen Hinterlassenschaften dieses Sextetts: Schon bei der Nennung der Titel „Veronika, der Lenz ist da“oder „Ein Krokodil“meint man, diese sechs Männerstimmen zu hören, die wie eine klangen. Zusammen waren sie die „Comedian Harmonists“.

Von 1929 bis 1933 verdienten sie „wie die Wahnsinnigen, und um uns herum war das Elend“(Czykowski). Und aus den Erinnerungen des Bassisten Robert Biberti ist der Ausspruch überliefert: „Jeder einzelne Schlager wurde mit lawinenartigem Beifall beantwortet“.

Der Regisseur Pit Holzwarth und der Schauspieler Renato Grünig haben mit Anregungen des Ensembles der Shakespeare Company ein Stück über das legendäre Sextett geschrieben, das am morgigen Mittwoch im Theater am Leibnizplatz uraufgeführt wird. „Das Ganze ist aus vielen Gründen ein unglaublicher Theaterstoff“, sagt Holzwarth und skizziert, was die Company an den „Harmonists“interessiert hat: „Zunächst hat uns die ungeheure Professionalität ihres gemeinsamen Singens gereizt.“

Doch inhaltlich, so Holzwarth weiter, „ging es uns um den Zerfall dieser erfolgreichen Gruppe durch die politische Konstellation – Frommermann, Czykowski und Collin waren Juden.“Und: „So ist das, was 1935 nach der Trennung von den Juden passierte, wo alle sechs versuchten, Vergleichbares wiederaufzubauen, nicht weniger interessant als die berühmte Karriere selbst.“

Allein die Vorbereitungen für ein solches Projekt sind in einem Stadttheater kaum möglich. Seit Juni vergangenen Jahres proben die Protagonisten mit dem Stimmtrainer Eckard Lampe Singen, wobei das Schwerste war, „sich zurückzustellen und anzupassen. Das können Schauspieler kaum, die wollen immer Solist sein“(Renato Grünig).

Und was sie aus dem berühmten Repertoire singen, war auch nicht einfach zu kaufen, nicht einmal in Handschriften vorhanden. Es gab nur im Staatsarchiv in Berlin 70 Aktenordner, die Anhaltspunkte enthielten. Mit denen hat sich Martin Crome befaßt, der die Arrangements nach dem Gehör aufgeschrieben hat, dabei feststellen mußte, wie „ungenau Biberti gesungen hat, wie der dritte Tenor Harry Frommermann mit ungeheurem Fleiß immer alle Stimmen lernte und einsprang, wenn die anderen ihren Einsatz verpaßten“.

Ein perfektes Ergebnis sozusagen als Cover zu erzielen, konnte nicht das Ziel dieser Aufführung sein, sondern die Einbindung in die persönlichen Biographien und die entsprechenden Auseinandersetzungen, die mit zunehmender Repression immer heftiger wurden. Frommermann („Wenn es hier klappt, dann bin ich plötzlich jemand“), Biberti („von Natur aus ein kleiner Diktator“, meinte Czykowski) und Bootz („Leschnikoff sang das hohe C höher als Caruso“) waren die Hauptkonkurrenten. Czykowski hat da eher vermittelt: „Eine phänomenale Gestalt, ein Hiob“, so Renato Grünig über seine Rolle des einzigen noch Lebenden.

So spürt der Abend, erarbeitet nach gefundenen Briefen, zahlreichen Gesprächen und vor allem dem Film von Eberhard Fechner nicht nur der gemeinsamen Karriere nach, sondern auch deren Bedingungen und Auswirkungen: Kindheit, Gründung, Ruhm, Trennung, Alter heißen die fünf Stationen, in denen zwei Konzerteinheiten erklingen werden.

„Aber wir wollen auf jeden Fall auch unserer Fantasie nachgehen, nicht nur dokumentieren – und wir statten die Personen natürlich auch mit unseren eigenen Stärken und Schwächen aus“, sagt Renato Grünig. Ute Schalz-Laurenze

Uraufführung der musikalischen Revue „Die Comedian Harmonists“am Mittwoch, 12. März, um 19.30 Uhr im Theater am Leibnizplatz