Spottbillig nach Nigeria telefonieren

■ Illegale Telefonstudios bringen Telekom Verluste in Millionenhöhe. Verfolger machtlos

Man gehe zur Telekom, melde einen Telefonanschluß für 65 Mark an, lade Freunde und Freunde der Freunde zum weltweiten Telefonieren zu einem Drittel der normalen Gebühren ein und verschwinde spurlos – fertig ist das illegale Telefonstudio. Wenn die Telekom merkt, daß die Rechnungen nicht bezahlt werden, bleibt ihr nichts anderes übrig, als den Anschluß zu kappen. Der Verlust der Telefongebühren wird meist unter der Rubrik „nicht eintreibbar“ verbucht.

Nach Angaben der Telekom- Pressestelle in Berlin sind die Betreiber solcher illegaler Telefonstudios „Landsleute, deren Heimatland weit weg ist und die in genügender Zahl hier sind“. Pressesprecher Wolfgang Behrens weiß von etwa fünf Fällen aus den vergangenen Monaten, in denen Nigerianer und Vietnamesen das Unternehmen um Summen zwischen 70.000 und 266.000 Mark geprellt haben. Insgesamt belaufe sich der Schaden auf etwa eine Million Mark. Verdienst für die Telefonpiraten: eine Mark pro Minute. Der Verlust für die Telekom ist beträchtlich: 3,12 Mark pro Minute nach Nigeria oder Vietnam.

Behrens bestätigt, wie einfach der Coup ist. Unerläßliche Bedingung: „Man muß in seinen Lebensumständen flexibel genug sein.“ Meist hätten die Betreiber mehrere Identitäten, die Orte des fernmündlichen Verbrechens seien Wohnheime, wo mehrere Anschlüsse installiert werden.

„Wir haben keine Chance, das Geld reinzukriegen“, klagt der Pressesprecher. Bis die Telekom weiß, daß sie übers Ohr gehauen wurde, vergehen mit Rechnungslegung und Mahnungen zweieinhalb Monate – genügend Zeit, sich aus dem Staub zu machen. Per digitaler Überprüfung des Gebührenaufkommens könnte man auffälligen Vieltelefonierern zwar auf die Spur kommen – doch erst, wenn sie längst über alle Berge sind.

Dem derzeitigen Anwachsen der Telekomverluste will das Unternehmen nicht weiter tatenlos zusehen. Weil man „nicht jeden mit dunkler Hautfarbe“ überprüfen könne und auch nicht wolle, wie Behrens betont, müßten „andere Mittel und Wege“ gefunden werden. So mache man sich beispielsweise „Gedanken zum Täterprofil“, um „prophylaktisch was machen zu können“. Genaueres will Behrens nicht verraten. „Wir geben nicht alles preis.“

Der Pressesprecher betont zwar, daß weder geplant sei, „das generelle Netz enger zu ziehen“ noch „das Quasimonopol der Telekom auszunutzen“. Doch wenn Mitbewerber Bonitätsprüfungen verlangen würden, will Behrens nicht ausschließen, daß dann auch die Telekom „nachziehen“ würde. Barbara Bollwahn