Das Portrait
: Pinkeln gegen den Kunstbetrieb

■ Martin Kippenberger

Allzu viele Freunde hat er sich mit seiner Art nicht gemacht. Und da die Feinde seiner Freunde ihm auch Feinde waren, blieb in den letzten Jahren nur ein sehr kleiner Künstlerkreis um Martin Kippenberger zurück. Nun ist der böse „Hetzler“-Boy – der Kölner Galerist Max Hetzler wurde in den achtziger Jahren reich mit seinen Arbeiten – tot: Kippenberger erlag am Freitag einem Leberversagen.

43 Jahre, das entspricht dem frühen Tod gescheiterter Existenzen wie Van Gogh. Tatsächlich war Kippenberger trotz seines ausschweifend alkoholisierten Lebens stets auf Abstand bedacht. Seine Provokationen mit Bildern, Sprüchen und direkten Aktionen kamen aus der Position des gegen den Betrieb anpinkelnden betriebszugehörigen Genies.

In einer Berliner Galerie schmierte er wütend zur Eröffnung mit Zahnpasta kleine Löcher in der Wand zu, die noch von der vorhergehenden Ausstellung geblieben waren, „damit die Zelle auch schön weiß bleibt“.

Schnell war man dann mit dem Label des Pausenclowns zur Hand. Tatsächlich verlor Kippenberger mitunter komplett aus den Augen, was er mit seinem Bilder-Sarkasmus überhaupt kritisieren wollte.

Dann fiel seine vom Punk übernommene Antihaltung selbst ins Regressive zurück: 1982 zeichnete „Kippi“ ausgemergelte afrikanische Figuren in der Art einer Käthe- Kollwitz-Parodie auf ein Blatt Papier und setzte den Spruch „Neger haben einen Längeren – stimmt nicht!“ als Kommentar darunter. Trotzdem sollte ausgerechnet Kippenberger noch in diesem März der Käthe-Kollwitz- Preis verliehen werden.

Weil er sich stets wie ein moderner Klaus Störtebeker aufführte, mußte Kippenberger auf den einen oder anderen Karriereschub verzichten: Statt bei der documenta stellte der Maler und Bildhauer in Griechenland aus, seine große „Retrospektive 1996-1976“ wird in diesem Frühjahr in Genf gezeigt.

Seine Schüler am Frankfurter Städel indes hat er zu mehr Verträglichkeit erzogen – und sie wenigstens sind entsprechend erfolgreich. Tobias Rehberger etwa pilgerte vor fünf Jahren für Kippenberger ziellos durch Afrika, inzwischen gilt er als Großtalent der neunziger Jahre. Sein Lehrer nahm es gelassen hin. Er war kein guter Mensch, er war kein schlechter Maler – irgendwo dazwischen.

Harald Fricke