Vergebliches Warten auf den Dicken

■ 5.000 Bergleute besuchen die Bonner Parteizentralen. Die FDP war blockiert

Bonn (taz) – Uwe Holstein hat eine zweijährige Tochter. Im September erwartet die Frau des 25jährigen Bergmannes ihr zweites Kind. „Sag mal, du hast wirklich noch ein Kind geplant? In voller Absicht?“ Holsteins Kollege Martin Prange, ein 33jähriger Schlosser, schüttelt fassungslos den Kopf: „Na, dann Glückauf!“ Er selbst ist kinderlos. „Meine Frau hat gesagt: Warum soll ich? Sie ist der künftige Ernährer, und ich bin arbeitslos.“ Vier- bis fünftausend Kumpel sind laut polizeilicher Schätzung zu einer spontanen Protestkundgebung hierhergereist. Seit gestern vormittag ist die größte Kreuzung im Regierungsviertel für den Verkehr gesperrt – blockiert von wütenden Bergleuten. Vor den Parteizentralen von CDU und SPD bildeten Kumpel Menschenketten. In das Gebäude der FDP kam über Stunden hinweg keiner hinein, und es kam auch keiner heraus. Generalsekretär Guido Westerwelle mußte eine Pressekonferenz kurzfristig in den Langen Eugen verlegen und dabei ohne Sprecher Hans-Rolf Goebel auskommen: Der saß in der Parteizentrale fest.

Solche Nachrichten werden von den Bergleuten mit Gelächter und Beifall quittiert. Aber in Gesprächen überwiegt Resignation und Angst. Wenn es beim geplanten Abbau von Subventionen bleibt, dann ist in den Revieren kaum noch ein Arbeitsplatz sicher. Über 130.000 Mark zahle der deutsche Steuerzahler derzeit pro Jahr pro Arbeitsplatz im Bergbau, hatte Westerwelle auf der Pressekonferenz erklärt. „Das geht auf Kosten der Investitionen in die Zukunft.“

Derartige Sätze können Martin Prange nicht beeindrucken. „In meiner Nachbarschaft, da gab's Thyssen, 4.000 Arbeitsplätze. Da wurde jetzt der Wissenschaftspark errichtet, 500 Arbeitsplätze. Und was ist mit dem Rest?“ Kollege Uwe Holstein sieht das ähnlich: „Flachglas muß abbauen, Veba muß abbauen. Wo soll ich hin?“

Der Bergmann hat eine schwere Eisenkette um den Fuß geschlungen. Mindestens bis nach dem für heute angesetzten Kohlegespräch bei Bundeskanzler Kohl will er vor der FDP-Zentrale ausharren. Aber er weiß nicht, wohin mit seiner Wut und seiner Angst. Wenn sich wenigstens mal ein Politiker, vielleicht gar der Kanzler, hier bei den Kumpeln blicken ließe, um mit ihnen zu reden. „Aber der Dicke kommt ja nicht. Da sieht man mal, wie feige der ist.“ Bettina Gaus