Seehofer startet durch mit einem Reförmchen

■ Umstrittene Pläne des Gesundheitsministers finden in der Koalition Zustimmung

Berlin (taz) – Bundesgesundheitsminister Horst Seehofers (CSU) Plan, die Zuzahlungen der Krankenversicherten für Medikamente und Klinikbesuche drastisch zu erhöhen, findet in der Regierungskoalition plötzlich breite Zustimmung. Rainer Eppelmann, Vorsitzender des CDU-Arbeitnehmerverbandes, begrüßte den Vorschlag als Erfolg des Arbeitnehmerflügels und verwies darauf, daß der Abschied von der paritätischen Finanzierung der Kassen abgewendet sei. FDP-Gesundheitsexperte Dieter Thomae, der sich noch gestern in der Berliner Zeitung für einen solchen Ausstieg ausgesprochen hatte, lobte die vorgesehene Regelung kurz darauf im Deutschlandradio als Leistungsansporn für die Ärzteschaft.

Der CSU-Vorsitzender Theo Waigel und Michael Glos, Chef der christsozialen Landesgruppe im Bundestag, halten den Koalitionsstreit um die Gesundheitsreform für gelöst. Die CSU habe am Wochenende eine in der Koalition mehrheitsfähige Lösung gefunden, erklärten beide Politiker gestern vor Beginn der CSU-Vorstandssitzung in München.

Der Gesundheitsminister versicherte, einkommensschwache Patienten seien von höheren Zuzahlungen befreit. Nach Seehofers Angaben sei das Modell auch mit Bundeskanzler Helmut Kohl besprochen worden. Heute muß die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ihr Plazet geben.

Grundsätzliche Kritik an den Plänen kam jedoch von den Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK). Deren Sprecher Udo Barske hält eine wirkliche Reform des Gesundheitswesens nur mit Gesetzesänderungen für möglich, die der Zustimmung des Bundesrats bedürfen. Die Koalition starte seit vorigem Jahr nur Gesetzesvorhaben, die am Bundesrat vorbei entschieden werden könnten. „Seehofers Pläne sind das Optimum dessen, was unter diesen Bedingungen machbar ist. Aber an den Ursachen der Kostenentwicklung ändern sie nichts“, meinte Barske zur taz. Sinnvoller sei vielmehr, die Medikamente für chronisch Kranke per Post direkt vom Hersteller zu liefern. Aber dies ist nach den geltenden Gesetzen unmöglich, da der Patient gezwungen ist, die Medizin über die Apotheken als Zwischenhändler zu beziehen.

Als „Scherz“ empfand Barske den Appell von CSU-Generalsekretär Bernd Protzner an die Krankenkassen, „ihren Gestaltungsspielraum zur Kostendämpfung konsequent zu nutzen“. Zuvor hatte Protzner den Vorschlag seines Parteifreundes Seehofer noch im Inforadio begrüßt. Leif Allendorf