Innenstädte haben Chancen

■ Handelssymposium wirbt für „partnerschaftliche“Lösungen / Tip: Innovationen im Schatten der Filialen erproben

Bremen, Oberzentrum in hoffnungsloser Lage? Beileibe nicht, urteilten gestern ExpertInnen aus Wirtschaft und Handel. Auch die Bremer City hat Chancen. Allerdings müssen dafür alle Möglichkeiten vereint genutzt und ausgebaut werden, mahnten auch ArchitektInnen, PsychologInnen und TheologInnen auf dem zweitägigen „Bremer Handelssymposium“, das das Institut für angewandte Handelsforschung der Bremer Hochschule erstmalig ausgerichtet hatte.

Daß Städte wie Bremen nur gewinnen können, wenn ihre BürgerInnen und PlanerInnen über den eigenen Tellerrand hinweg schauen, verdeutlichte die interdisziplinär und europäisch ausgerichtete Veranstaltung schon in der Besetzung der Auftaktrede. Mit dem Theologen Eugen Drewermann wurden nüchterne stadtplanerische Aspekte um die Komponente gesellschaftlicher Werte angereichtert. Denn: Wer über Innenstädte und deren Entwicklung spricht, kann nicht allein Umsätze und Verkehrsanbindung meinen. „Jeder erbt die Stadt, die die Väter haben wollten. Innenstadt heißt Kommunikation und Reibung“, sagte der Baseler Architekt Carl Fingerhuth, zugleich Mitglied des Planungsbeirats der Stadt Bremen. In diesem Sinne warb er für „Partnerschaft“von Handel und Politik zugunsten einer sinnlichen Belebung der Innenstädte, die auch optisch wieder relevant werden müßten. Das nämlich seien sie derzeit nicht. Statt neue Gestaltungsformen zu probieren, folgten Architekten dem antiquierten Bild der klassischen Moderne, „Form-folgt-Funktion“. Die Konsequenz: Mindestens Langeweile. Emotion, die Menschen suchten, sei dagegen Kitsch – und eher eine Seltenheit bei der Innenstadtgestaltung.

Wo äußere Normierung sich in den Auslagen der Geschäfte fortsetzt, ist sie fatal. Darüber herrscht Einigkeit unter ExpertInnen. Noch fataler sei allerdings der Glaube, daß Filialen zwangsläufig den Verlust sinnlicher Vielfalt bedeuten, warnte gestern die schweizer Theologin Josephine Siegrist. Denn im Schatten der Großen könnte der innovative Einzelhandel Nischen ungewöhnlich ausbauen. Voraussetzung: Zündende Ideen – und Persönlichkeiten, die entsprechende Partnerschaften eingehen. In Zeiten der Dienstleistungsgesellschaft und der starken Factory-Outlets auf der Grünen Wiese müsse auch der Handel neue Partner suchen.

Hier allerdings sei der deutsche Einzelhandel schwach, ergaben Untersuchungen des Kölner Ökonomen Robert Weitz. In Städten, größer als Bremen, zählte er nur drei kreative Einzelhandelsinitiativen. Allein den Einzelhandel dafür verantwortlich zu machen, sei aber auch unfair, so Weitz: „Der Einzelhandel erbringt seit der Verlängerung der Ladenschlußzeiten die teuerste und ineffizienteste Dienstleistung der letzten Jahre.“ ede