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: Triphoppen und Teetrinken: Morcheeba kommen ins Loft

Erstaunlich, wie ein schon mindestens zwei Jahre alter Hype sein langes Leben führt. TripHop heißt der Sound, den seinerzeit Tricky, Portishead oder, viel, viel früher, Massive Attack, raus aus den Clubs und rein in die Wohnzimmer angehender Schöngeister und Geldverdiener trugen. Was natürlich auch die Industrie merkte, jedoch erst mit der ihr eigenen Verzögerung auf den Weg brachte. Folglich darf man sich fortlaufend und selbstverständlich immer neu, frisch und heiß an Acts wie Morcheeba, Lamb, Sneaker Pimps oder Hooverphonic erfreuen.

Morcheeba begaben sich vor Jahresfrist mit ihrer Single „Trigger Hippie“ das erste Mal in den Trip-Listening-Strom. Zufall oder nicht: Auch bei ihnen paßt die für TripHop typische Verteilung der Geschlechterrollen: Die Frau fungiert als Medium, die Männer sind die Bastler. Skye nennt sich die Dame, die bei Morcheeba tief, rund und gefühlvoll die Lyrics singt, mit einer Stimme, „that shines like stars“, wie The Face sie reichlich blumig beschrieb.

Und die Männer, hier die Gebrüder Godfrey, bedienen die Gitarren und vor allem die elektronischen Gerätschaften, mit denen die genretypischen, bewußt kraftlos gehaltenen Rumpel- und Schleppbeats produziert werden.

Auch nicht untypisch, wie Morcheeba sich gegen die üblichen Zuschreibungen und Vereinnahmungen wehren. So meint Paul Godfrey erklären zu müssen, daß ihre Songs auf der akustischen Gitarre komponiert würden, sie also Singer & Songwriter seien, und die Beats erst später hinzukamen. Woraus er auch folgert: „Unsere Musik verliert sich nicht im Nirgendwo, wie das bei so vielen TripHop- Sachen der Fall ist.“

Auf ihrem Debüt-Album „Who Can You Trust?“ hört man in der Tat eher Songs als „visionäre Soundscapes“ (Info), Songs, die schön ruhig und, wie sich das gehört, „athmospärisch dicht“ sind, die zum Träumen und Teetrinken animieren, und die nur manchmal nach gehörigen Arschtritten verlangen.

Alles wirkt perfekt arrangiert, nichts wurde dem Zufall überlassen, und selbst eine einmal ganz country-western-mäßig hüpfende Lap Steel fügt sich in die Song-orientierte Ordnung. Und trotzdem fühlen Morcheeba, ähnlich den Drum-'n'-Bass-Produzenten, die Zukunft ganz nah: Ihr Album haben sie einem Menschen namens Jaegar gewidmet, „to listen to in the 21st Century“. Gerrit Bartels

Ab 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz