Zwischen Krach und Klassik

■ Das zweite Label von John Zorn, Tzadik, stellt an zwei Abenden ein Programm zwischen Klezmer und japanischem Avant-Rock vor

Crossover hin oder her, eines der größeren Probleme am Ende der Warenkette Musik (Vertrieb, Promotion, Journalismus, Plattenladen) ist mehr denn je die Zuordnung. Das 1995 gegründete New Yorker Label Tzadik versucht dies auf einigen seiner Informa-tionsblätter zu lösen. Dort steht dann beispielsweise, man solle den jeweiligen Tonträger unter Avantgarde, Noise oder Klezmer einsortieren. Den Geschäften, die solche Abteilungen nicht führen, trotzdem aber nicht auf diese klingenden Schätze verzichten wollen, bleibt über kurz oder lang nur die Alternative, ein Fach für Zorn einzurichten.

Dies – auch wenn sich solche Deutung in den meisten Fällen anböte – betrifft natürlich nicht wütende Musik, sondern das auch für Insider vollkommen unüberschaubare ×uvre des Saxophonisten, Produzenten und Labelbesitzers John Zorn. Jenes Großkünstlers, der unter dem Schlachtruf „Jazz Snobs Eat Shit“Mitte der 80er Jahre seine klassische Schulung gegen die reine Lehre wandte und mit seiner damaligen Formation Naked City die Idee des Freejazz an die technischen Grenzen der Musik trieb. Wenig später verabschiedete sich Zorn von solcherlei programmatischer Konfrontation und arbeitete zunehmend an der Weiterentwicklung aller Bereiche zwischen Klassik und Krach.

Da natürlich keine Firma der Welt einen solchen Output verarbeiten konnte und wollte, gründete er schon frühzeitig sein erstes Label, Avant, mit Firmensitz in Japan, zugleich sein größter Markt. Sein mittlerweile gottgleicher Status in der Welt der Avantgarde wie auch sein Sendungsbewußtsein machten schon bald einen zweiten Auslaß notwendig. Mit Tzadik, so der Name der neuen Sammelstelle für progressive Musik, kümmert sich Zorn getreu seiner eigenen Schwerpunkte um Künstler aus drei Bereichen: Musik jüdischer Tradition, neue Klassik und Avant-Rock, den Zorn landesspezifisch unter „New Japan Series“zusammenfaßt.

Der erste große Auftritt der Firma in Europa bringt dabei das Beste aus allen Sparten: Als profilierte Vertreter der New Yorker Jazz-Szene verarbeiten David Krakauer und Anthony Coleman, jeweils in Trio-Besetzung, osteuropäische und lateinamerikanische Einflüsse in ihren modernen Definitionen von Klezmer. Der erkennbar hochkulturelle Teil der beiden Abende wird bestritten von den eklektischen Klangreisen des jungen kanadischen Komponisten Eyvind Kang und von Tessa Hughes-Freeland, die zu einem der namhaftesten Werke von Zorn, Elegy, ihre Filmprojektoren wie Instrumente einsetzt.

Die Sitzungen enden schließlich in bruitistischer Avantgarde mit Death Ambient, einem Projekt der japanischen Extremisten Kato Hideki und Ikue Mori, sowie dem Maßstäbe setzenden Duo Ruins mit ihrem schmerzhaft präzisen Hardcore. Zorn selbst ist bei alledem nicht anwesend. Muß er auch nicht, denn die Gesamtheit dieser sechzehn Musiker repräsentiert seine ganze musikalische Person.

Holger int' Veld

Anthony Coleman Trio, Eyvind Kang sowie das Trio Ikue Mori, Kato Hideki, Jim Plotkin: Fr, 14. März / David Krakauer, Tessa Hughes-Freeland sowie das Duo Tatsuya Yoshida und Hisashi Sasaki: Sa, 15. März, jeweils 21 Uhr, Markthalle