Prêt-à-porter
: Beschichtete Herrenanzüge

■ Variationen über ein Thema bei Dries van Noten und Junya Watanabe

Die männlich geschnittenen Anzüge und breitschultrigen Jacken, die letzte Woche in Mailand zu sehen waren, galten einmal als Markenzeichen von Yves Saint- Laurent. „In Mailand die Nachahmer, in Paris das Original“, schrieb die amerikanische Zeitschrift Women's Wear Daily nach der Vorführung von Saint-Laurents Prêt-à-porter-Kollektion.

Yves Saint-Laurents Rückzug ins Halbprivate war ein enorm geschickter Schachzug. Noch im letzten Jahr galt er als nicht mehr sonderlich innovativer Couturier, aber was soll's, er war eben Yves Saint-Laurent.

Seit er seine Prêt-à-porter- Kollektion nur noch vor einer Handvoll auserlesener Journalisten vorführt, schwärmt die Presse von dem „intimen kleinen Rahmen“ und lobt die Kollektion in den höchsten Tönen. Die jungen Designer in Paris kümmert's nicht – warum auch? Bikkembergs' Anzüge hatten schon immer einen männlichen Schnitt, Dries van Noten zieht schon seit Jahren Röcke über Hosen, und Junya Watanabe interessierte sich von jeher mehr für die Architektur seiner Kleider als für deren biologischen Zweck.

Dries van Noten zeigte entweder hautenge oder superweite Hosen. Darüber waren Röcke, Decken oder Schürzenkleider gewickelt. Dazu wattierte Mäntel oder Jacken, die wie Anzugjacken geschnitten waren. Das Material dieser Jacken hatte etwas Arbeiterhaftes, Rauhes wie von Matratzen. Die Hose dann aus Wollstoff, darüber ein chinesisch anmutendes Kleid aus Seidenjacquard. Dann noch eine Strickjacke und ein Mantel. Schicht über Schicht.

Oder ein kleiner brauner Pullover, dazu eine braune Hose aus Wollstoff, die aussieht, als gehöre sie zu einem klassischen Anzug, darüber ein langer gewickelter Rock aus dem gleichen Stoff. Das sähe sehr klassisch aus, wenn dieser Rock nicht einen breiten Sattel aus gold-grünem Brokatstoff hätte, der lose um die Taille liegt. Es ist wirklich nicht einfach, einen Witz aus dem Männeranzug zu machen – van Noten macht das mit links. Es geht nicht um dieses altmodische Saint-Laurent-Ding – eine Frau durch einen Anzug seriöser, das heißt männlicher zu machen und diese Seriosität gleichzeitig wieder zurückzunehmen, indem man das „Weibliche“ durch hohe Schuhe, enge Taille etc. betont.

Van Notens Röcke über Hosen, diese Schichten, die er übereinanderhäuft, sind so ungezwungen und selbstverständlich, daß auch ein Mann sie tragen könnte. Daneben wirkt jeder Herrenanzug grau, alt, müde und irgendwie – unvollständig.

Junya Watanabe liebt es, Dinge so kompliziert zu machen, bis sie wieder einfach aussehen. Er zeigte zuerst Hosen und darüber ganz schlichte Jacken, mit einer Naht in der Taille und Reißverschluß statt Knopfleiste. Das war sozusagen die Grundidee. Beim nächstenmal waren über die Anzüge Seidenkleider gebunden, knielang, mit einem kleinen Stehkragen, hinten offen und zusammengehalten durch ein weißes oder schwarzes Gurtband. Dann kamen wadenlange Gehröcke und doppelreihige Mäntel. Alle hatten eine Taillennaht, und unter dem Arm schob sich der Stoff so zusammen, daß er sich hinten am Schultergelenk bauschte. So entstand eine Rundung, die an das Gelenk einer Ritterrüstung erinnerte. Das sah sehr schön aus, und es interessierte niemanden, ob das jetzt männlich oder weiblich war. Anja Seeliger