Gewehrsalven inmitten politischer Vermittlung

■ Ohne eine Einbeziehung der Rebellen kann Albanien nicht zur Ruhe kommen

Tirana (AFP/taz) – Trotz der Berufung eines Oppositionellen zum Chef der geplanten Übergangsregierung ist die Lage in Albanien weiterhin gespannt. In Tirana machte sich Panik breit, als Soldaten in der Nacht Schüsse in die Luft abgaben. Viele Bewohner befürchteten, aus dem Norden des Landes seien bewaffnete Anhänger von Präsident Sali Berisha in die Hauptstadt gezogen. Dieser verhandelte mit der Opposition weiter über die Zusammensetzung der künftigen Regierung. Am Dienstag abend hatten sich beide Seiten auf den Sozialisten Bashkim Fino als neuen Ministerpräsidenten geeinigt.

Augenzeugen berichteten aus Tirana, Soldaten seien zum Ende ihres Militärdienstes durch die Innenstadt gezogen, hätten Salven abgefeuert und den Namen von Berisha skandiert. Auf diese Nachricht hin verbarrikadierten die Aufständischen in Berat 150 Kilometer weiter südlich die Zufahrten zur Stadt. Sie gingen ebenfalls davon aus, daß bewaffnete Berisha- Anhänger aus dem Norden nach Tirana gezogen seien. Die nördlichen Landesteile gelten als Bastion der Demokratischen Partei. Sie waren von dem Zusammenbruch der Anlagefirmen betroffen, der im Süden zahlreiche Sparer in den Ruin gestürzt hat und Ausgangspunkt der Rebellion war.

Die Unruhen haben mittlerweile auch den Norden erreicht. In zwei Städten wurden am Montag abend Kasernen geplündert. Unklar blieb zunächst aber, ob es sich dabei um Anhänger Berishas handelte. Besonders brisant sind die Zwischenfälle, weil die Städte an der Grenze zur serbischen Provinz Kosovo liegen, die mehrheitlich von nach Unabhängigkeit strebenden Albanern bewohnt wird.

Der designierte Ministerpräsident Fino forderte die Freilassung des inhaftierten sozialistischen Parteichefs Fatos Nano als Bedingung für eine „nationale Versöhnung“. Diese beginne erst, wenn Nano zum Volk sprechen könne, sagte Fino einem griechischen Fernsehsender. Der 35 Jahre alte Sozialist war bis 1996 Bürgermeister von Gjirokaster – einer von 13 Städten im Süden, in denen die Aufständischen die Oberhand haben. Die Aufständischen fordern, an den Verhandlungen zwischen Berisha und der Opposition über eine Regierung der nationalen Versöhnung beteiligt zu werden.

Das Präsidialamt teilte mit, das Innenministerium gehe an die Demokratische Partei. Dafür erhielten die Sozialisten das Verteidigungsressort. Die griechische Minderheit bekommt demnach das Industrieministerium und das Verkehrsressort.

Der frühere österreichische Bundeskanzler Vranitzky, der im Auftrag der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vermittelt, sagte in Kopenhagen, wichtig sei, daß die Rebellen im Süden in den Dialog einbezogen würden. Vranitzky wollte heute zu einer neuen Mission nach Albanien reisen.