Es gibt viel zu tun – schreiben wir's auf

Morgen beginnt der GAL-Wahlprogramm-Parteitag: Von Linksattacken begleitet, muß der Basisgruppen-Kuddelmuddel geordnetet werden. Warum Konturen fehlen, verrät  ■ Florian Marten

Natürlich kommt die Stadtbahn vor, aber auch eine ganz präzise Obergrenze für die Flugbewegungen in Fuhlsbüttel, nämlich 114.000 jährlich. Die Standardtonne für Restmüll soll auf 10 Liter pro Nase eingeschrumpelt werden, Produzenten von Sondermüll müssen sich auf eine Berichtspflicht gefaßt machen. Die Grundschule soll sechs Jahre dauern, den Schulhöfen wird Entsiegelung verordnet. Gesunde Nahrungsmittel dürfen kein Privileg für Besserverdienende sein. Strittig ist allenfalls noch, ob auf Tierversuche bloß „weitestgehend“oder gänzlich „zu verzichten“ist.

Kein Zweifel: Vom GALischen Wahlprogramm ist hier die Rede. Von Linksattacken begleitet und von der überraschenden Kandidatur der Parteilinken Anna Bruns (59) gegen Krista Sager überschattet, wird sich am Wochenende der Landesparteitag mit dem Entwurf befassen. Denn am 21. September 1997 ist in Hamburg wieder mal Wahltag. Und mittlerweile schon zum sechsten Mal in Folge – seit 1978 – kandidieren auch die Grünen für die Bürgerschaft.

Wer sich ernsthaft auf die Lektüre der 44 engbedruckten Seiten des GAL-Wahlprogramms einläßt, wird umfassend bedient. Kaum ein Themenfeld, in welchem die GAL nicht gleichermaßen Grundsätzliches wie präzis Konkretes von sich zu geben hätte. Natürlich muß Hamburg grüner, weiblicher, demokratischer, vielfältiger, gesünder und gleichberechtigter werden.

Das GAL-Wahlprogramm anno 1997 dokumentiert, knapp 20 Jahre nach dem erste Bunte-Liste-Wehrt-Euch-Programm, einen grundlegenden Wechsel: An die Stelle der trotzigen Präsentation grüner Nein-Danke-Knackpunkte und der einst so optimistischen „Alles ist machbar, Herr Nachbar“-Pose ist ein detailreicher Flickenteppich GALischer Befindlichkeiten und Ideen getreten. GAL-Chefin Antje Rad-cke verrät warum: „Es ist so kompliziert geworden, Antworten zu finden.“Und Ko-Chefin Krista Sager gesteht: „Es ist kein Knackpunkte-Katalog.“

In einem parteidemokratischen Willensakt hatte der GAL-Landesvorstand die Programmarbeit an die Landesarbeitsgemeinschaften (LAGs) delegiert. Bei denen handelt es sich aber nur in den seltensten Fällen um schlagkräftige Braintrusts, die Zukunftstrategien diskutieren. Neben den Bürgerschaftsabgeordneten und ParteifunktionärInnen sitzen dort auch jene, die gern ein bißchen herumdiskutieren. Angst vor Streit und Zuspitzung und der weitgehende Verzicht auf Rat von außen verhinderten, daß die GAL in ihrem Programm wirklich eindeutig Farbe bekennt.

Als die LAGs im Januar die Order bekamen, Teile des Wahlprogramms zu stricken, wuselten die meisten gleich hektisch los. Dem Computer sei Undank, wurden wild alte Dateien zusammengekloppt. Entsetzt saß der GAL-Vorstand Mitte Februar vor einem fetten Papier- und Diskettenstapel, der zwar eine Unmenge kluger Vorschläge, viele Allgemeinplätze und erstaunlich wenig Widerstandsfolklore enthielt, aber wenig mit einem vorzeigbaren Wahlprogramm zu tun hatte.

Grüne Essentials, die Eckpfeiler einer Modernisierungsstrategie, die Konturen eines GAL-Regierungsprogramms, oder gar ausgefeilte Projektvorschläge: Fehlanzeige. GAL-Fraktionschef Willfried Maier und Landeschefin Antje Radcke wurden verdonnert, zu retten, was zu retten war. Doch auch sie vermochten keine klaren Strukturen zu schaffen.

Selbst Mitglieder des Landesvorstandes räumen hinter vorgehaltener Hand ein: „Der vorliegende Entwurf ist vielleicht ein interessanter Querschnitt des Dikussionsstands der LAGs, aber kein Wahlprogramm.“Willfried Maier und die designierte GAL-Spitzenkandidatin Krista Sager haben sich mit diesem Problem längst abgefunden. „Das kommt noch. Wenn dann wirklich mit der SPD verhandelt wird“, so Sager. Voraussichtlich wird sich auch dann wieder ein kleiner Kreis, verstärkt durch Experten von außen, aus dem basisdemokratischen Kuddelmuddel Verhandelbares herausfiltern.

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