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Zwischen Schutt und Schimmel

■ Mieterverein: Jede 10. Wohnung in Hamburg hat gravierende Schäden / Zu viele ignorante Vermieter und duldsame Mieter Von Sannah Koch

Für eine Pilz-Zuchtstation ein ideales Umfeld, nicht aber für normale Wohnzwecke: Nasse Wände, schimmelnde Möbel, absackende Zimmerdecken und wochenlange Stromausfälle wegen des tropischen Klimas – Ingrid Merz und Sabine Norden sind zwei von etwa 50.000 Hamburger Mietern, die nach Schätzung des Mietervereins zu Hamburg (DMB) zwischen Schutt und Schimmel hausen müssen. Für den Verein haben sich Wohnungsmängel zum dominierenden Streitthema zwischen Mietern und Vermietern ausgewachsen: Nach Einschätzung des Vorsitzenden Eckard Pahlke weist in Hamburg jede zehnte Mietwohnung gravierende Schäden auf.

Dabei führen Durchfeuchtungen wie bei den Wohnungen der beiden Winterhuderinnen die Mängelliste an, aber auch Bauschäden und Ausfälle bei Versorgungsleistungen quälen häufig die Bewohner, weniger aber deren Vermieter. Statt Schäden zu beheben, so Pahlke, provozierten Eigentümer diese sogar vermehrt aus Spekulationsgründen, um die Bewohner aus der Wohnung zu treiben.

Allerdings notiert der DMB auch eine enorme Leidensfähigkeit der Mieter. Ingrid Merz und Sabine Norden leben erst seit Dezember in ihren tapezierten Feuchtbiotopen; dort regnet es rein, seitdem das Dachgeschoß ausgebaut wird. Die Eimsbüttlerin Margot Holtmann erwies sich hingegen als besonders duldsam: Vor drei Jahren ließ ihre Vermieterin die Kohleöfen aus der Wohnung entfernen und danach Gasleitungen verlegen. Noch heute zieren ansehnliche Löcher die Holtmannschen Wände, doch Heizkörper bekam sie nie. Ihre 57 Quadratmeter Wohnraum beheizt sie seitdem notdürftig mit Radiatoren: „Mit 440 Mark im Monat sind die Stromkosten inzwischen höher als die Miete“, klagt sie.

Warum so lange so duldsam? Angst vor Streit, Uninformiertheit oder Gutgläubigkeit führen nach den Erfahrungen Pahlkes häufig zu derartig ausgiebigem Stillhalten. Mit ausgesprochen negativen Folgen für die Mieter: Erdulden sie Mängel einige Monate stillschweigend, verwirken sie damit ihr Recht auf Mietminderung (siehe Dokumentazion). Und diese Maßnahme, die der Wohnungseigentümer direkt auf seinem Konto zu spüren bekommt, ist laut Pahlke nach wie vor die wirksamste Methode, Mängel zügig behoben zu bekommen.

Dabei sollte der Mieter jedoch korrekt vorgehen: Den Mangel per Einschreiben anzeigen und eine angemessene Frist setzen. Erst wenn danach trotzdem nichts passiert, sollte er die Miete mindern. Er kann aber auch den Schaden selber beheben lassen und dem Vermieter die Rechnung zuschicken oder den Betrag von der Miete abziehen. Wegen der Kompliziertheit der Materie empfiehlt es sich allerdings, vorher einen Mieterverein zu Rate zu ziehen (Mieterverein zu Hamburg;

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