Sparquote mit Doppelstrategie

■ Senat vertagt Maßnahmen zur Kostensenkung / 3000 Stellen dennoch gefährdet / Neues 200-Millionen-Mark Loch in Etat Von Florian Marten

Senat plant Entlassungen“ – Schlagzeilen wie diese nerven selbst die Abgebrühtesten im Senatsgehege über Gebühr. Kein Wunder also, daß der Hamburger Senat gestern zwar „ausführlich“ die 25 Punkte umfassende Giftliste seines „Instrumentenkastens zur Personalkostenabsenkung“ zwar debattierte, diese dann aber sofort an die Senatskommission für den Verwaltungsdienst überwies, wo die Liste sprachlich geliftet, entschärft und sachlich in einzelnen Punkten „überprüft“ werden soll.

“Im Juni, rechzeitig vor den Beratungen zum Haushalt 1996“, so versprach gestern artig Senatssprecher Fritz Klein, werde das Papierchen dann endgültig vorliegen. Erst dann wird auch feststehen, welchen Kostensenkungscocktail der Senat aus Auflösungsverträgen, Frühverrentungen und „verhaltensbedingten Kündigungen“, der Streichung von Urlaubs-, Weihnachtsgeld und Beihilfen, Privatisierungen und Erleichterungen bei Zwangsversetzungen zusammenrühren wird.

Ungeachtet dessen legte die SenatorInnenrunde gestern unter Finanzsenator Ortwin Rundes Moderation schon mal ein paar Eckdaten fest: Behörde für Behörde ließ Runde feste Einsparquoten für die Personalhaushalte des Jahres 1996 festklopfen. Nach den für 1995 beschlossenen Sparquoten von 50 Millionen Mark sind 1996 und 1997 je 75 Millionen dran. Wissenschaft, Kultur, Frauen und Bezirke werden mit je knapp 3,5 Prozent am härtesten angefaßt, Schulen, Justiz, und Finanzbehörde kamen am besten weg. Insgesamtsollen so 3.000 Stellen vernichtet und pro Jahr 200 Millionen gespart werden.

Der seltsame Widerspruch von „Quoten ja – Instrumente nein“ ist aus Sicht des Finanzsenators schnell aufgeklärt: Ihm reicht die Quote – wenn seine Senatskollegen sie nicht erfüllen, ist das deren Bier. Diese Doppelstrategie hat, so bestätigten Verwaltungsinsider der taz inzwischen erneut, katastrophale Folgen in vielen Behörden: Mit wilden Tricksereien und ohne klares Konzept wird nach dem Weg des geringsten Widerstandes gefahndet. Statt einer wirklichen Überprüfung der Aufgaben und entsprechenden Umstrukturierungen werden die lobbyschwächsten Abteilungen ausgedünnt. Umgekehrt verlassen, gefrustet vom steigenden Verwaltungschaos, gerade die Qualifiziertesten die öffentlichen Arbeitsplätze, weil sie anderswo mehr Geld und höhere Arbeitsbefriedigung finden.

Derweil spitzt sich die Hamburger Finanzkrise weiter zu. Wie Ortwin Runde gestern einräumen mußte, hat sich das Haushaltsloch im Jahr 1994 rückblickend von 2,8 Milliarden Mark um 216 Millionen auf jetzt über 3 Milliarden Mark erhöht. Neben der Kreditfinanzierung der Investitionen (2 Milliarden Mark), hat sich damit das Loch im Betriebshaushalt auf über eine Milliarde Mark erhöht. Dabei sind nach dem Geist der deutschen Finanzverfassung Defizite im Betriebshaushalt – der Haushalt für die laufenden Ausgaben – nur in äußersten Notfällen zulässig. Hamburg hatte das bisher bekannte 800-Millionen-Mark-Loch haarscharf am Verfassungsbruch vorbei durch die Auflösung einer vorher gebildeten Rücklage geschlossen.

Die jetzt noch fehlenden 216 Millionen Mark, die mehr als drei Jahre lang brutale Personalkostenabsenkung bringen, werden als „Verlustvortrag spätestens im Haushalt 1996 auftauchen“, verriet Runde fröhlich.