Eher ein Stück Kuchen

■ Patricia Rozemas When Night is Falling ist nur selten ein verlogenes Stück Scheiße

Alles beginnt mit Bob. Bob ist der Hund von Camille (Pascale Bussiéres), die an einem christlichen College Mythologie unterrichtet, und sein Schicksal, das verrät When Night is Falling am Ende, wenn auch ironisch gebrochen, ist auch das seines Frauchens. Zunächst löst der Tod Bobs aber erstmal einige Verwirrung im wohlgeordneten Lebensablauf der Professorin aus. Sie packt den Köter in den Kühlschrank und die Wäsche in den Waschkorb. Im Waschsalon lernt sie die Illusionistin Petra (Rachel Crawford) kennen, die die Wäsche vertauscht, um Camille (“Das klingt ein wenig wie Come In!“) wiederzusehen. Sie macht die Dame der Religion reichlich forsch an, zieht alle Register des Verführens und sucht ihr schönes Burgfräulein, als Hofnarr und Bogenschütze verkleidet, auf.

Der verstaubten Welt des Colleges wird, dem Schwarz-Weiß eines Märchens gleich, die kunterbunte, geheimnisvolle Welt der Sircus Of Sorts gegenübergestellt. Dessen Motto „Stranger than fiction, truer than fact“ könnte man auch den Arbeiten Patricia Rozemas vorstellen, die sich anläßlich der Premiere des Films lakonisch entzog. „Kino ist kein Stück Leben, sondern ein Stück Kuchen,“ meinte die Regisseurin, die sich mit ihrem Debut I–ve Heard the Mermaids Singing nicht nur unter Lesben eine treue Fangemeinde schuf. „Ich wollte mit When Night is Falling zeigen, daß alle Arten zu lieben gleich sind“, führte Rozema aus. Das sind wohl Sätze, die einem Verleihfirmen in die Feder diktieren. Neben den lesbischen Zuschauerinnen wollte man wohl nicht den für die Kasse wichtigen Anteil Heteros verprellen.

Doch ihr Film ist klüger und konsequenter. Zwar macht Rozema, deren letzter Film White Room nicht in die deutschen Kinos kam, einige Zugeständnisse. So wird in When Night is Falling mit Camilles Freund und Arbeitskollegen Martin (Henry Czerny) einer männlichen Person überhaupt Raum gegeben, den diese sogar mit einiger Sympathie ausfüllen darf. Gleichwohl unternimmt When Night is Falling eine recht eindeutige Wertung, die sich in der unterschiedlichen Beleuchtung der Sexualtiät spiegelt. Der Priester Martin liegt beim Sex natürlich missionarisch obenauf, sein Körper ist im Halbdunkel ganz Kontraktion und Kraft – die Wände des Zimmers schwanken Camille dabei bedrohlich. Mit Petra ist die Bettstatt von einer zeitlupenverlangsamten Poesie umwölkt. Als sie zusammenfinden, werden im Gegenschnitt zwei in elfenhafter Harmonie auf dem Trapez schwingende Mädchen gezeigt, was der taz-Kollege als „verlogene Scheiße“ bezeichnete. When Night is Falling zeigt aber eine alle Schranken sprengende Amour Fou zweier sehr unterschiedlicher Frauen und dokumentiert ein lesbisches Coming Out, genau bis in die Klischees hinein. Trotz all der mythologischen Verweise auf das unterschiedliche Paar Amor und Psyche ist Rozemas lesbischer Film eher ein Hollywood-Märchen als ein Mythos – und das ist gut so. Volker Marquardt