Ohne Lagedarstellung üben in der Walachei

■ Norderstedter Polizisten proben Geiselnahme im Abschiebeknast Glasmoor

Viel übt sich, was ein gewappneter Polizist sein will. Eine sogenannte Vollübung ereignete sich am vergangenen Dienstag im Abschiebeknast Glasmoor. Eingeweiht war dort nur die Anstaltsleitung in Gestalt von Harold Buck, der um 14.11 Uhr mit einem Anruf bei der Polizei das Startsignal gab: Sechs schwarzafrikanische Abschiebegefangene hätten zwei Gefängnisbedienstete als Geiseln genommen. Alle Polizeikräfte im Kreis Segeberg wurden alarmiert. Sie riegelten das Gelände weiträumig ab und führten in kugelsicheren Westen Straßenkontrollen durch. Besucher des Gefängnisses wurden abgewiesen. Um 16.50 Uhr wurde Entwarnung gegeben.

„Von der Polizei wußten alle, daß es sich um eine Vollübung ohne Lagedarstellung handelt“, erklärt der Norderstedter Polizeikommissar Jan Wittig zu dem „ein- bis zweimal jährlich“stattfindenden Übungsspektakel. „Mit Lagedarstellung“wäre übrigens gewesen, wenn sich Beamte als schwarzafrikanische Geiselnehmer maskiert hätten.

Regie in dem Szenario – inklusive fiktivem Mobilen Einsatzkommando (MEK) und Einschaltung des Anstaltspsychologen – führte der Leiter der Norderstedter Polizei Thomas Schettler, der auch Mitglied der schleswig-holsteinischen AG Geiselnahme ist. Die suchte sich den Knast Glasmoor aus, „weil das Gelände übersichtlich ist“, so Wittig. Verkehrskontrollen seien an den Verkehrsteilnehmern, vor allem von der Arbeit zurückkehrenden Freigängern, leichter durchzuführen gewesen, „als wenn wir das alles etwa in einer Deutschen Bank am Rathaus durchgespielt hätten“, rechnet Wittig vor. „Dann wären die Auswirkungen aufs tägliche Leben relevanter gewesen als in der Walachei in Glasmoor.“

Die Akteure dagegen seien rein zufällig der Phantasie der AG Geiselnahme entsprungen: „Ob das nun Bosnier oder Türken oder Schwarzafrikaner sind, ist doch egal.“Für letztere, die ja zumeist Englisch- oder Französisch sprechen, ließen sich auch leichter Dolmetscher besorgen – „und das gehört ja zur Übung“. Die Gefangenen seien nicht informiert, aber auch „gar nicht in Mitleidenschaft gezogen“worden. „Die haben das wohl mitgekriegt, konnten sich aber nichts erklären“, sagt Dorothea Zirkel von der „Glasmoorgruppe“. Sie hatte am Donnerstag mit Gefangenen gesprochen. Der Knast werde wegen Demonstrationen und Besucherkontrollen ohnehin oft von der Polizei umzingelt.

Die Gefängnisleitung äußerte sich gestern nicht zu der Übung. Auch Irene Lamb, Sprecherin der Justizbehörde, konnte „wenig dazu sagen“. Die Norderstedter Polizei werde wohl selbst wissen, welches Szenario sie für realistisch halte, um den Ernstfall zu simulieren. „Die sind ja auch dran, wenn so etwas wirklich passiert.“

Der Hamburger Polizeisprecher Hartmut Kapp mochte die Frage, wie und wo Vollübungen mit oder ohne Lagedarstellung in Hamburg stattfinden, gestern nicht beantworten: „Das Landeskriminalamt will dazu grundsätzlich nichts sagen.“

Ulrike Winkelmann