Wen der Fuß drückt

■ Wer läßt schon seine Füße pflegen? Nicht nur alte Damen tun es / Medizinische Fußpflege kommt auch bei jüngeren Menschen an

Füße sind zum Laufen da. Man kann sie aber auch unter den elterlichen Tisch strecken oder auf eigenen Füßen stehen. Aber eines muß mensch auf jeden Fall tun: Seine Zehen in ungesunde Fußverpackungen stecken – mit oft recht unschönen und unangenehmen Folgen.

Eine Expertin für die physischen Folgeschäden von zum Beispiel Stöckelschuhen (Überbein und zerquetschte Fußnägel) ist Ursel Baumann. Die ausgebildete Fußpflegerin betreibt eine eigene Praxis im Rembertiviertel und zählt zu ihrer Kundschaft nicht nur alte Menschen, denen die Pediküre schwer fällt. Denn der Gang zur Kosmetikerin ist heute fast selbstverständlich – die Zeiten, in denen die Pflege der Füße etwas Verschämtes oder Peinliches war und daher sträflich vernachlässig wurde, sind längst vorbei. Immer mehr jüngere Menschen kommen zu Ursel Baumann. Auch weitaus mehr Männer finden den Weg in ihre Praxis. Geschäftsleute, Hausfrauen und Senioren bilden den Hauptbestandteil derer, die sich den Luxus gönnen und „nach der Behandlung wie auf Wolken nach Hause schweben.“

Streicheleinheiten für die Füße bietet die Fußpflegerin nämlich an – eine ausgiebige Pediküre. Nägel werden geschnitten, Hornhaut abgeraspelt und auch schon mal lästige Hühneraugen entfernt. „Eben alles, was man eigentlich auch zuhause tun kann. Nur ist es hier eine Spur professioneller“, sagt sie. Vorweg geht ein Fußbad, denn damit fängt die Entspannung schon an – insgesamt kostet der Spaß dann genau 38,50 Mark.

Neben der verwöhnenden Kosmetik leistet Ursel Baumann auch medizinische Fußpflege. Sie behandelt fast alle Fußprobleme, bis auf den orthopädischen Bereich. „Das sind schon manchmal kleine Eingriffe mit dem Skalpell. Da kann man ohne medizinische Ausbildung viele Fehler machen, wenn man z.B. arterielle Durchblutungsstörungen bei Diabetikern übersieht“, ist ihre Sorge gegenüber schlecht ausgebildeten Feierabend-KollegInnen.

Gerade bei der Fußreflexzonen-Massage (pro Behandlung rund 50 Mark) spielt die richtige Diagnostik eine wichtige Rolle – es ist eine Massage-Methode aus der traditionellen chinesischen Medizin, die auch bei einigen Indianervölkern Nordamerikas üblich ist. Verspannungen sowie Erkrankungen an den Organen können damit erkannt und behandelt werden. „Zustimmungspunkte“auf den Fußflächen geben das Ende von Nervenbahnen an und gehören jeweils zu einem bestimmten Organ.

Wenn Ursel Baumann ihre Patienten an dieser Stelle massiert, reagiert der normalerweise im Schuh verschnürte Fuß empfindlich auf den ungewohnten Reiz. „Es gibt kaum Patienten, die keine Störfelder haben, demzufolge komplett gesund wären,“beschreibt sie die Reaktionen. Häufig schickt sie ihre Kunden mit einem Hinweis zum Arzt – oft genug ist ihre Diagnose richtig und sie empfiehlt eine Fußreflexzonen-Massage. Aktivieren, stimulieren und regenerieren kann sie die Organe. Sie kann pathologische Prozesse da erkennen und lindern, wo laut Schulmedizin der Grenzwert zum Kranksein noch nicht erreicht ist.

Mehr Beachtung und Zuwendung schulden wir unseren Füßen, findet die Pflegerin – gerade weil sie im Alltag so belastet sind. Öfter mal ein Fußbad nehmen, bequem natürliches Schuhwerk tragen oder Barfußgehen (z.B. im Wattenmeer, bloß nicht auf kalten Steinen): All das könnte schon angenehm und wohltuend genug für unsere Treter sein.

Es ist überliefert, daß gerade Barfußgehen wahre Wunder wirken kann: Der Musiker Rolf Schnell schreckt dabei weder vor städtischem Asphalt noch vor längeren Barfuß-Reisen zurück. „Im Sommer bis nach Budapest – das ging schon ohne Schuhe!“, sagt er. In ländlicher Umgebung scheint das Barfußgehen dann doch weniger abschreckend zu sein. Frauke Schärff aus Stuckenborstel macht auch im Winter noch ausgedehnte Spaziergänge auf bloßen Sohlen, wenigstens solange der Boden nicht gefroren ist. Bevor sie damit anfing, litt sie häufig unter kalten Füßen. Jetzt sind sie besser durchblutet, bestätigt sie. „Außerdem lernen die Füße, sich wieder zu bewegen,“freut sich die Kunsttherapeutin. Begeistert berichtet sie vom Gang über ein abgeerntetes Karottenfeld oder den Matsch, der durch die Zehen quillt. Sie bedauert es jedes Mal, wenn sie wieder Schuhe tragen muß: „Das hat etwas davon, wieder den Boden unter den Füßen zu verlieren.“ Helene Hecke