„Aus der Region – für die Region“

In diesem Frühjahr wird die HanfFabrik in Zehdenick den Betrieb aufnehmen. In der Anlage sollen Baustoffe produziert werden. Die Hanfpflanzen werden aus Schlesien importiert  ■ Von Matthias Fink

Baustoffe aus Zehdenick – das hat Tradition. 1888 stießen Arbeiter auf die Tonvorkommen, als sie in Zehdenick eine Havelbrücke bauten, über die seitdem die Bahnstrecke Oranienburg–Prenzlau verläuft. Die Vorkommen wurden ausgebeutet und Ziegel daraus gemacht. Bald war der Raum Zehdenick einer der wichtigsten Herkunftsorte von Ziegeln in Europa. Ein großer Teil von Berlin, das damals boomte, wurde aus dem Material erbaut. Die Zehdenicker Ziegel sind gelb, die Konkurrenzprodukte aus Rathenow hingegen rot. So konnte man die Berliner Baukunst auf einfache Weise farblich bereichern. Als schneller Transportweg bot sich die Havel an, auf der die Zehdenicker Klinker 70 Kilometer südwärts nach Berlin gebracht wurden. Bis zum Zusammenbruch der Ostwirtschaft nach der Wiedervereinigung lief die Produktion in Zehdenick. Heute nutzen die stehengebliebenen Ringöfen vor allem dem Tourismus in dem Städtchen zwischen Oranienburg und der Schorfheide.

Die Tradition der Baustoffproduktion könnte heute durch die Zehdenicker HanfFabrik wieder stärker belebt werden.

„Aus der Region – für die Region“ lautet das Vermarktungskonzept der Fabrik, die vor allem Baustoffe herstellen wird. Berlin zählt hier ausdrücklich zur Region dazu. Die Millionenstadt bietet immerhin beachtliche Chancen für Produkte auf Hanfbasis. Vor allem Baumaterialien und einfache Filzbeläge soll die HanfFabrik produzieren, an der die Berliner TreuHanf beteiligt ist. „HanfFabrik GmbH i.G.“, betont Geschäftsführer Christian Krasemann. „i.G.“ bedeutet in Gründung, die Firma ist noch nicht in das Handelsregister eingetragen.

Mit der Produktion soll es nun aber bald losgehen. Das entscheidende Gerät ist eine Wirrfaser- Vliesmaschine, deren Teile schon in der Fabrikhalle stehen. „Im April werden wir die Anlage montieren“, verkündet Geschäftsführer Christian Krasemann. „Ende April, Anfang Mai werden sich die ersten Tamboure drehen.“ Hanffasern gibt man ein, eine gewobene Masse namens Vlies kommt heraus. Das Gerät ist zusätzlich mit einer Nadelmaschine ausgestattet. „Damit wird das Vlies dichter gemacht“ erklärt Krasemann. „Mit jedem Hub werden 5.000 Stahlnadeln hineingedrückt.“ Wenn die Maschine auf Hochtouren läuft, macht sie in der Minute 400 solcher Hübe.

Vlies dient als Grundlage für Geotextilien, mit denen etwa Lärmschutzwälle begrünt werden. Auch zu allerlei Baustoffen läßt sich das Vlies weiterverarbeiten. Als Bettungsmasse für Isolierplatten ist der Stoff auf Hanfbasis halb so schwer wie Glasfaser, die bislang oft verwendet wird. Auch Autos können mit Hartteilen ausgekleidet werden, die aus verpreßten Fasern made in Zehdenick bestehen.

Nicht weiterverarbeitete Vliese sind als Bodenbeläge an die Kundschaft zu bringen. Für dauerhafte Teppiche für daheim sind die dünnen Matten nicht geeignet, aber mancherorts werden Böden nur kurzzeitig bedeckt. „Unsere Beläge sind besonders für Messeveranstaltungen geeignet“, wirbt Krasemann. Dort werden sie nach ein paar Wochen ausgesondert – und weiterverarbeitet. „Das ist dann noch eine saubere Faser, die zur Papierherstellung verwendet werden kann.“

„Aus der Region – für die Region“ ist allerdings vorerst noch nicht zu verwirklichen. In Brandenburg ist bisher die Hanfernte erst einmal, im letzten Herbst, eingefahren worden. Vorher war der Anbau jeglichen Hanfes in der BRD bekanntlich verboten. Die Menge ist daher noch zu gering. Bei den Vorbereitungen für die Zehdenicker Fabrik wandten sich die Organisatoren daher an einen vergleichbaren polnischen Betrieb in Radwanice, in der Nähe von Legnica (Liegnitz) in Schlesien. Von dort soll nun der Hanf nach Zehdenick gebracht werden.

Außer einer ausreichenden Menge ist aber für die HanfFabrik auch die Qualität des Hanfes wichtig. Die traditionell geröstete Faser ist chemisch zu stark angegriffen und daher für die Produktion von Dämmstoffen nicht zu gebrauchen. Mit dem neuen Feldhäcksler, bei dem schon auf dem Feld Fasern und Schäben getrennt werden, kann das Problem allerdings umgangen werden.

Die HanfFabrik befindet sich in einer nicht gerade alternativ aussehenden Betonhalle auf dem Gelände der ehemligen Industrie- Werke Zehdenick. Vor der Wende gab dieser VEB 1.600 Beschäftigten Lohn und Brot. Isolationstechnik vor allem für Elektroartikel wurden hier produziert. Heute gehört das Gelände der Arbeitsvermittlungsgesellschaft Aqua. Auch hier ist man ökologisch engagiert. Wer aus dem Stadtkern von Zehdenick in die Verlängerte Ackerstraße kommt, sieht zuerst ein vieleckiges Haus am Rand des Fabrikgeländes, das die Aqua-Leute aus Lehm gebaut haben. Hier soll ein Kommunikationszentrum einziehen. Ob die Zehdenicker Jugend dort wohl auch anderen Hanf verarbeiten wird?