Lumpen zu Moneten

Kleiderrecycling ist zwar einträglich, allerdings nicht in jedem Fall ökologisch und sozial  ■ Von Matthias Fink

Der Entschluß, sich von alten Klamotten zu trennen, fällt oft nicht leicht. Doch mancher steht dann verunsichert vor einem Container. „Als Spende verpackt“ soll man die Textilien einwerfen, steht auf vielen Behältern. Suggestiv erfährt man, was man als anständiger Wohltäter doch wohl auch richtig gemacht hat. „Ihre gute Kleidung soll nicht verschmutzt werden.“ Auch vor dem Diebstahl des Inhalts warnt das Schild. Kommen hier wirklich so hochwertige Textilien zusammen?

„Ein Container ist wie ein Geldspielautomat“, sagt Klaus Warnass, Öffentlichkeitsarbeiter beim Essener Dachverband „Fairwertung“, dem 68 Sammelorganisationen angehören. Etwa 450.000 Tonnen Altkeider werden im Jahr in Deutschland gesammelt. Da lohnt sich das Rechnen, vor allem aber das Sortieren. Für rund 700 Mark die Tonne läßt sich das unsortierte Sammelgut veräußern. Je genauer sortiert werde, desto höher der Erlös. „Bis hin zu einzelnen Kleidergrößen können Sie sortieren“, weiß Warnass. Kleider, die noch für den Secondhandladen taugen, bringen pro Tonne schon 10.000 Mark. Die Gewinnspanne der Sammelorganisationen wird durch die Gebühr für den Container etwas gemindert. Gegen Höchstgebot vermieten die Kommunen freie Eckchen auf Gehwegen oder Parkplätzen.

Bei der Berliner Stadtmission verzichtet man auf die Container und bezieht die Altware von den Kirchen. „Neunzig Prozent unserer Textilien stammen aus kirchlichen Einrichtungen“, berichtet Bernd Dittrich, Geschäftsführer der „Neuen Arbeit“, einem Tochterunternehmen der Berliner Stadtmission, das im handwerklichen Bereich arbeitet. Kleidersammlungen im Zeichen des Herrn bürgen für eine höhere Qualität der Spenden. Was für den Container gut genug ist, mag man nicht auch unbedingt im Gemeindehaus persönlich überreichen. Trotzdem seien zehn Prozent des Sammelgutes „absoluter Schrott“, berichtet Dittrich. Über einen Spediteur gibt die Stadtmission den Ausschuß an einen Betrieb, der Dachpappe daraus macht. Ein weiterer Teil wird zu Putzlappen verarbeitet. Mehr Geld läßt sich mit besser erhaltenen Kleidern verdienen. „Bei uns heißt Gewinn gleich Arbeitsplätze“, beteuert der Geschäftsführer. In sechs Monaten habe man vier Arbeitsplätze geschaffen, beim Sortieren ebenso wie in den zwei Läden, in denen BerlinerInnen die besten Stücke kaufen können. Das übrige geht an Großhändler, die vor allem in Polen damit handeln. Noch weiter exportiert werde die Ware nicht, sagt Dittrich. „Der Preis ist durch das Sortieren so hoch, daß die Sachen nicht in der Dritten Welt vermarktbar sind.“ So etwas könnten sich nur Händler erlauben, die das unsortierte Zeug gleich in südliche Niedriglohnländer brächten.

Was diese Art von „Entwicklungshilfe“ bewirkt, ist umstritten. Mancherorts bediene sich vor allem die Mittelschicht mit den vergleichsweise passablen Textilien, erklärte die Stiftung Warentest ihren LeserInnen (test-Heft 1/96). Dadurch gingen den örtlichen Anbietern Marktanteile verloren. Traurige Beispiele seien Kenia, Tansania und Sambia, wo auf diese Weise etwa 10.000 Arbeitsplätze vernichtet worden seien.

Hanno Reinert, Geschäftsführer des Fachverbandes Textil-Recycling in Karlsruhe, sieht dies anders. Die ökonomischen Wirkungen der Exporte seien letztlich doch positiv für die betroffenen Länder, meint Reinert, dessen Verband sortierende und verarbeitende Unternehmen vertritt.

Auch ökologisch ist der Altkleiderexport bedenklich. In ärmeren Ländern lohnt es sich, nur die besten Stücke herauszusuchen und den Rest in eine wilde Deponie zu schütten.

„Wir versuchen Transparenz in den Markt reinzubringen“, sagt Klaus Warnass von „Fairwertung“. „Bei uns im Fachverband wird alles offengelegt und überprüft.“ Die angeschlossenen Organisationen, vor allem kirchliche, arbeiteten überdies nicht gewinnorientiert, sondern gemeinnützig. Hanno Reinert vom Fachverband der Textil-Recycling-Wirtschaft bestreitet, daß die alternativen Organisationen „was anders machen, als die etablierten und die sonstigen karitativen Unternehmen“. Dies zu behaupten, sei „glatt gelogen“.

Weniger unstritten ist es, daß Textil-Recycling für Um- und Geschäftswelt interessant ist. In der Reiß- und Spinnstoffindustrie werden die Textilien zerschnitten und neu versponnen. Der so gefertigte Stoff gelangt kaum als neue Wäsche in den Handel, kann aber als Gardine für das Auto, als Sitzpolsterung oder als Fußabtreter wieder in den Handel kommen. Nicht im freien Handel erhältlich sind Putzlappen aus zerschnippelten Textilien. Sie werden direkt an Großabnehmer geliefert. Vor allem Fabriken lassen mit Lumpen putzen. Privatpersonen können sie sich schließlich auch selber basteln.