Zurück zur Natur im Plastiklook

Im Outdoorbereich hat sich die Funktionsbekleidung aus Kunstfasern durchgesetzt. Anoraks und Wanderhosen aus Naturfasern sind out. Recycling hat sich nicht durchgesetzt  ■ Von Volker Wartmann

„Ökologische Aspekte spielen beim Kauf von Wander- und Funktionskleidung so gut wie keine Rolle. Obwohl viele unserer Kunden naturverbunden sind und oftmals aus dem alternativen Spektrum stammen, hat die Umweltverträglichkeit der Produkte für sie keine Bedeutung“, sagt Herbert Fischer, Fachverkäufer und Bekleidungsspezialist bei „Globetrotter Ausrüstung Berlin“. „Die Kunden achten beim Kauf ihrer Ausrüstung in erster Linie nur auf Funktionalität und Aussehen der Kleidung.“ Nach seiner Einschätzung kauft höchstens ein Prozent der Kundschaft bestimmte Produkte aus vorwiegend ökologischen Gründen.

Die Luis-Trenker-Zeiten, wo der fesche Wandersmann mit Leinenrucksack und Lodenjoppe auf Bergtour ging, sind vorbei. Die meisten Wanderer, Fahrradfahrer und viele andere, die sich heutzutage gern draußen und in der Natur aufhalten, hüllen sich vorwiegend von Kopf bis Fuß in Kleidung aus Kunststoff ein. „Die Traditionalisten, die in dicken Wollpullovern, Angoraunterwäsche und gewachsten Baumwolljacken unterwegs sind, sterben langsam aus“, so Fischer. Kunstfaserbekleidung aus Nylon, Polyamid und Polyester hat sich im Outdoor- und Trekkingbereich durchgesetzt. Aus gutem Grund: Die Kunstfaserklamotten sind weniger voluminös, leichter und oftmals stabiler als die Produkte aus Naturfasern. „Naturfasern funktionieren in vielen Bereichen einfach nicht so gut wie Kunstfasern. Pullover aus Baumwolle oder Wolle trocknen nicht so schnell wie Fleecepullover aus Mikrofasern, wenn sie einmal naß geworden sind. Wer in seinem Aktivurlaub seine ganze Ausrüstung auf dem Rücken oder dem Fahrrad mit sich herumschleppt, achtet in der Regel sehr auf geringes Gewicht. Bei gleicher oder besserer Funktionalität sind Produkte aus Kunstfasern oft um ein Vielfaches leichter“, sagt Fischer.

„Daß Bekleidung aus Kunstfasern prinzipiell unökologischer ist als solche aus Naturfasern, kann man nicht pauschal sagen. So wird beispielsweise Baumwolle in den seltensten Bedingungen unter ökologischen Bedingungen angebaut. Im Gegenteil, gerade in der Baumwollproduktion werden viele Pestizide eingesetzt und beim Färben meist synthetische Farben verwendet. Unbehandelte Baumwolle hat nur einen sehr geringen Marktanteil“, sagt Fischer. Zudem seien Produkte aus unbehandelter Baumwolle aufgrund ihrer ungewohnten Trageeigenschaften oftmals gewöhnungsbedürftig und weniger haltbar. „Uns ist bewußt, daß der größte Teil unserer Produkte aus künstlich hergestellten Materialien gefertigt ist und sich somit nicht mehr schadlos in den natürlichen Kreislauf einfügen läßt. Andererseits ist der Weg zurück zu Ausrüstungsgegenständen aus rein natürlich gewachsenen Rohstoffen, zum Beispiel aufgrund der energieaufwendigeren Produktion und meist viel geringeren Lebensdauer, offensichtlich auch keine Lösung“, meint der Ausrüstungsexperte.

Er empfiehlt daher, zeitlos modische Bekleidung zu kaufen, diese möglichst lange zu benutzen und durch gute Pflege ihre Haltbarkeit zu verlängern. „Qualitativ hochwertige Kunstfaserprodukte haben generell eine wesentlich längere Lebensdauer als Produkte aus Naturfasern. Billigfleecepullover sehen jedoch oft schon nach zweimaligem Waschen aus wie ein alter Lappen. Der Kauf solcher Produkte ist weder aus finanziellen noch aus ökologischen Gründen sinnvoll“, erläutert Herbert Fischer.

Selbst im Unterwäschebereich setzen sich Produkte aus Kunstfasern trotz anfänglich großer Skepsis der Kunden mehr und mehr durch. „Die Kunstfasern sind in den letzten Jahren ständig weiterentwickelt worden. Zwar vertragen nicht alle Kunststoff auf ihrer Haut, aber viele Allergiker haben mit Unterwäsche aus Wolle oder Baumwolle öfter Hautverträglichkeitsprobleme als mit Kunstfaserprodukten“, meint Fischer. „Die Zeiten, als man in den ersten bügelfreien Kunststoffhemden schon nach wenigen Minuten nur geschwitzt und gestunken hat, sind lange vorbei. Die heutzutage produzierte Unterwäsche transportiert den Schweiß von der Haut weg nach außen, so daß man nicht so schnell friert wie in feuchter Baumwollunterwäsche.“

„Die neuen synthetischen Fasern verursachen in der Regel keine Allergien und sind im allgemeinen sehr gut hautverträglich“, bestätigt Ludger Baumann, Hautarzt und Allergologe. „Hautprobleme werden hauptsächlich durch die in den Faserstoffen enthaltenen Farbstoffe verursacht, sowohl bei Kunstfaser- als auch bei Naturfaserunterwäsche.“ Für die allerbeste Lösung in puncto Hautverträglichkeit hält er noch immer die gute alte weiße Baumwollunterhose.

Um die Umweltfreundlichkeit ihrer Produkte zu erhöhen, haben einige Hersteller in den letzten Jahren Recyclingprogramme für aufgetragene Anoraks und Wanderhosen entwickelt. Schon bei der Produktion werden sowenig verschiedene Materialien wie möglich verwandt, die, nachdem die Klamotten aufgetragen sind, wieder voneinander getrennt und dann wiederverwertet werden können. „Bisher hat jedoch noch kein Kunde seinen alten Anorak wieder zu uns zurückgebracht“, sagt Fischer. Mikrofleece-Bekleidung findet seit Jahren immer mehr Anhänger. Einige Hersteller produzieren inzwischen hochwertige Fleecepullover, die zu 80 Prozent aus alten Kunststoffflaschen und nur zu 20 Prozent aus neuem Material bestehen. „Viele Kunden haben die Erwartung, daß Recyclingprodukte preisgünstiger sind. Das ist jedoch nicht der Fall“, erläutert Fischer. „Bis jetzt hat sich die Kreislaufwirtschaft im Outdoorbereich noch nicht entscheidend durchsetzen können. Aus einem der wenigen bestehenden Projekte haben sich einige Firmen inzwischen sogar schon wieder ausgeklinkt.“

Bis letztes Jahr hatte „Globetrotter Ausrüstung“ eine Hanfkollektion im Programm. „Diese Bekleidung war im Outdoorbereich jedoch nur sehr schwer verkäuflich. Wir haben die Kollektion letztes Jahr ausgemustert“, sagt Fischer. Für einzelne Freizeitbereiche sieht er Hanfbekleidung dennoch als eine sinnvolle Alternative an. „Vielleicht war der damalige Zeitpunkt einfach zu früh. Falls die Hanfbekleidung der neuen Generation besser aussieht als die jetzige, nehmen wir sie vielleicht wieder ins Programm auf.“

Für romantische Abende am Lagerfeuer sollte man seinen Fleecepullover übrigens besser zu Hause lassen: Pro Funke gibt's nämlich ein Loch in dem guten Stück. Da können der gute alte Wollpullover oder der BW-Parka bei weitem mehr ab.