Wenig Freud' am Zelluloid

■ Die Gruppe Revolver übt High-Speed-Auf-Anschluß-Sprechen anläßlich Tarantinos "Reservoir Dogs", am Halleschen Ufer zeigen drei Regisseure 20minütige Variationen zu einem Film von Cassavetes

Wer sich theatralisch mit einem Film wie Quentin Tarantinos „Reservoir dogs“ auseinandersetzt, der immerhin einen gewissen Kultstatus besitzt und durchaus stellvertretend für eine neue Ästhetik der Aggressivität, der Coolness und des Fatalismus steht, der sollte schon etwas zur Diskussion beitragen wollen. Und: Wenn man aus einem amerikanischen Film ein deutsches Theaterprojekt macht, könnte man doch den eigenständigen Umgang mit dem Original zum Thema des Abends machen.

Ist das wirklich so ungebrochen unser Ding – diese spezifische amerikanische Coolness, diese Männerrituale des Hollywood-Gangsterfilms? Wie funktioniert das, läßt es sich analytisch-sezierend darstellen? Die Gruppe Revolver, die ihr Stück „Reservoir dogs – remixed“ in der Tanzschule Schmidt am Hackeschen Markt präsentierte, beschränkte sich auf so reflektions- wie ironiefreies Nachspielen des Drehbuches. So lassen sich, mangels Eigenart der Bühnenbearbeitung, nur die Unzulänglichkeiten im Vergleich zum Original aufzählen.

Zum Beispiel daß Regisseur Max Schumacher, statt Energie und Spannung zu erzeugen, sie mittels Musik und Geschwindigkeit bloß simuliert. Während der Rhythmus des Films von den Pausen, vom Abstoppen, vom Aushalten von Unsicherheiten lebt, herrscht auf der Bühne ein High- Speed-Auf-Anschluß-Sprechen vor, das die Schauspieler immerhin erstaunlich gut beherrschen.

Das aber rettet die Sache auch nicht, denn statt sich mit der Sprache des Originals auseinanderzusetzen, hat der Regisseur bloß eine Übersetzung angefertigt, die eine Ansammlung von unerträglichen Synchronisations-Amerikanismen im Stil von „Jesus Christus, Joe, laß mich das nicht tun müssen!“ darstellt. So gelingt es dieser Bearbeitung leider in keinem Moment, ihre spezifische Bedeutung gegenüber dem Film zu behaupten. Michael Mans

„Reservoir Dogs“, bis 17.3., 21 Uhr, Revolver in der Tanzschule Schmidt, Rosenthaler Straße 38

Um Filmisches ging es am Donnerstag zur gleichen Zeit auch im Theater am Halleschen Ufer. Gerade so, als gäbe es dort tatsächlich noch Authentizität und Glam zu gewinnen, und gerade so, als käme es jetzt auf der Bühne genau darauf wieder an, drängeln sich die Theatermacher allerorten derzeit ums Zelluloid. Drei Variationen zu „Killing of a Chinese Bookie“ (1976) von John Cassavetes wurden unter dem Projekttitel „20 Minutes“ gezeigt – das Prinzip der Omnibus-Inszenierung, das einem in nur einer Stunde einen Einblick in gleich drei ästhetische Konzepte ermöglicht. Ein schönes Projekt, das im Juni und Dezember fortgesetzt werden soll.

Cassavetes also, und gefordert waren Mark Johnson, Thomas Martius und Matthias Wittekindt. Bei „Killing of a Chinese Bookie“ geht es um die mit semidokumentarischem Anstrich und entsprechend unbeteiligt gefilmte Geschichte des Clubbesitzers Cosmo Vitelli, der Spielschulden gemacht hat und gezwungen wird, einen chinesischen Buchmacher zu ermorden. Er bekommt dabei selbst eine Kugel ab, läßt in einer kleinen Ansprache auf seiner schäbigen Varietébühne noch einmal das Showbusineß hochleben und geht zum Sterben nach draußen.

Mark Johnson setzt ganz auf die Atmosphäre. Leere Bühne, zwei Mikrophone. Der Darsteller des Cosmo bramarbasiert in rauchigem Amerikanisch von den bubbles in seinem Sektglas, eines der girls gibt etwas aus dem schlüpfrigen Witzprogramm des Clubs zum besten und erklärt ab und zu, spielmacherinnenartig, auf welche Stelle im Film das Ganze gerade anspielt. Drei andere schlendern oder stehen herum und gehen manchmal aufeinander los. Beiläufiger Realismus mit vielen Pausen, was 20 Minuten lang okay ist.

Ganz anders Thomas Martius, der den Film in Worten zeigen will und das Psychogramm zu der Figur. Ein Mann und eine Frau spielen Cos und Mo und sagen, unterstützt von einem Erzähler, wie sie sich wann gerade fühlen. Der zeitliche Ablauf steht im Vordergrund, des Films im Besonderen, des Lebens im Allgemeinen. Ab und zu treiben sie langsam expressive oder symbolistische Gymnastik. Ästhetisch könnte das eine Parodie auf Rollenspiele sein, ist dazu aber zu schlecht gesprochen.

Matthias Wittekindt hingegen hat sich vom Film weggeschummelt, und vielleicht ist das der Grund, daß seine Performance als einzige für sich Bestand hat. In bewährter grafisch-akkurater Brüssel-Projekt-Manier bewegen sich zwei Darstellerinnen durch den Raum und tun rätselhaft-alltägliche Dinge mit Requisiten. Witzige, eigene Dialoge. Die eine, offenbar eine Offizierin, gibt der anderen Geld, vielleicht, weil sie jemanden umgebracht hat. Ein schön-absurdes Verschwörungsspiel, Cassavetes läßt nicht einmal grüßen, dafür Anflüge damenhaften Wehrsports.

Allgemeine Begeisterung am Ende: drei Performances, nahtlos zu einer gefügt, für jeden war etwas dabei, und zwar – wie sich im Foyergespräch herausstellte – für jeden etwas anderes. Warum ausgerechnet Cassavetes, fiel da nicht mehr ins Gewicht. Petra Kohse

„20 Minutes“ (Johnson, Martius, Wittekindt), bis 16.3., 21 Uhr, Theater am Halleschen Ufer (32)