Schöner wohnen im Caravan

■ Die Dauercamper am Krossinsee sind fertig mit dem Frühjahrsputz und warten auf gutes Wetter. Das Leben spielt sich zwischen Vorzelt, Klo und Gelsenkirchener Barock ab

Die Fenster sind blankgeputzt, die Gardinen mit der Ado-Goldkante frisch gewaschen. Die Fahrräder stehen unter einer Plane bereit. Die Bäume sind zwar noch kahl, aber am Krossinsee haben viele der 250 Dauercamper schon vor drei Wochen mit dem Frühjahrsputz begonnen. „Uns geht es saugut, endlich können wir wieder an die Luft“, sagt eine ältere Camperin in pink-blauem Jogginganzug und düst glücklich mit ihrem Fahrrad davon.

Hinten im Anhänger scheppern im Takt die dreckigen Teller, Töpfe und Tassen in zwei Plastikschüsseln. Sie fährt zu den 50 Meter entfernten Sanitäranlagen. Noch fließt kein Wasser in den Wagen, aber Strom ist schon angeschlossen. Geheizt wird mit kleinen Öfen mit Propangas aus der Flasche.

„Eigentlich wollten wir heute so viel machen, aber ständig kommt jemand vorbei, und wir trinken erst mal Kaffee zusammen“, sagt Karl Korszewski. Der 71jährige Rentner wollte gerade mit seiner Frau Ingelore zu Abend essen. Seit vier Jahren haben die beiden Westberliner einen Standplatz in Schmöckwitz.

Die beiden sind alte Camper: „Wir zelten schon seit unserer Jugend.“ Vor allem die südlichen Länder Europas haben sie zuerst noch in ihrem kleinen Fiat 500 bereist. Abenteuerurlaub sei das gewesen, so richtig mit Mist und Dreck, ganz nah an der Natur. „Die Westdeutschen haben sich einen gefeixt und auf uns runtergeguckt. Die hatten diese schicken Wohnwagen mit allem Drum und Dran und wir nur ein kleines Zelt. Das war fast eine Zweiklassengesellschaft“, sagt der etwas rundliche Hobbykoch grinsend. „Ein Wohnwagen hat sich ja in West- Berlin gar nicht gelohnt.“

Jetzt haben sie einen, und was für einen: mit verziertem Spiegel über den beiden Einzelbetten, die Überdecken passend zu der Holzverkleidung und goldfarbenen Chromverzierungen an den Wasserhähnen.

Sofort nach der Wende haben sie sich einen Caravan zugelegt – zuerst noch einen gebrauchten. Damit bereisten sie die fünf neuen Länder.

Ihren ersten festen Stellplatz hatten sie auf dem Feld eines Bauern in der Nähe von Lehnin. „Dieses Jahr bleiben wir aber hier, man wird ja auch nicht jünger“, sagt Karl Korszewski und zieht den Bauch ein, um sich auf die Bank an den gedeckten Tisch zu quetschen. Im Vorzelt ist zwar mehr Platz, aber es ist trotz Gasofen doch noch zu kalt abends.

Ihren Einstand hat die Familie Kalienke trotzdem im Vorzelt gehalten. Acht Leute hätten gar nicht um den Tisch im Wagen gepaßt. „Wir mußten schon zwei Pullis anziehen“, sagt Regina Kalienke. Es war ihr erster Abend im neuerworbenen gebrauchten Wohnwagen. Und so ganz hat die mitgebrachte Ausrüstung nicht gereicht. „Eigentlich haben wir ja alles: Kaffeemaschine, Toaster, Mikrowelle. Aber das Besteck hat nicht gereicht.“

Macht nichts. Familie Schulze hat die fehlenden Gabeln und Messer mitgebracht. Überhaupt sind Kalienkes erst auf den Geschmack des Dauercampens durch die Freunde gekommen. Sie waren ein paarmal bei den eingeschworenen Campern und haben im Zelt übernachtet. „Es ist vor allem schön für die Kinder, die können hier den ganzen Tag draußen spielen, ohne daß wir uns Sorgen machen müssen.“

Und so sehen ihre beiden Söhne Benjamin und Sebastian auch aus. Vor lauter brauner Erde ist die ursprüngliche Farbe des Jogginganzugs nicht mehr zu erkennen. „Und die Männer gehen angeln“, sagt die Lehrerin. Sie selber bleibt lieber beim Wagen und setzt sich auf dem 80-Quadratmeter-Stellplatz in die Sonne. Spaß für die ganze Familie.

So richtig hat sich Regina Kalienke noch nicht an den Wochenendwohnsitz gewöhnt, ihr grüner Pulli bleibt an der Türklinke hängen. „Ein bißchen eng ist es schon.“ Wo keine Fenster sind, hängen kleine Schränkchen im Gelsenkirchener Barockstil. Schon jetzt sind sie ziemlich voll. „Wir werden wahrscheinlich das Klo ausbauen für mehr Stauraum“, erzählt sie und blickt skeptisch auf das gebraucht gekaufte Klo.

„Und die braunen Gardinen gefallen mir nicht, aber das kommt schon noch mit der Zeit“, sagt Regina Kalienke überzeugt. Am ersten Tag hat sie mit ihrem Mann erst mal einen neuen Linoliumboden im Vorzelt ausgelegt – ebenso beigebraun wie die Innengestaltung des Wohnwagens. Nathalie Daiber