Club-Musik und Zuhause-Platten

■ Jutta Bächner hat mit „KiffSM“ein vielversprechendes Hamburger Label gegründet

Seit gut einem Jahr macht sich, ohne dabei in sonderliche Eile zu verfallen, ein Hamburger Label einen guten Namen. KiffSM lautet der Wortwitz, doch mit dem Busineß meint es die vielbeschäftigte Betreiberin Jutta Bächner ernst. Es liegt schließlich ein gewisser Weg hinter ihr, bis zu ihrem eigenen Label: Sie hatte einen Club in Erlangen, der in einen eher künstlerischen Hintergrund eingebettet war, und machte Promotion für verschiedene Musikfirmen.

Promotion - das heißt in erster Linie, anderen Leuten viel zu erzählen von anderer Leute Musik. Bald war ihr das zu wenig, und sie konfrontierte ihre Arbeitgeber, den Musikverlag Freibank und die Plattenfirma PIAS Germany, mit ihrer Idee vom eigenen Label. Diese willigten ein, das Projekt in ihre Betriebsstrukturen einzubinden, und KiffSM war geboren.

Für die erste Veröffentlichung wählte Bächner ein elektronisches Ein-Mann-Projekt namens Drome, mit bürgerlichem Namen Bernd Friedmann. Dessen aufgeräumten Klangarbeiten hört man auf Dromed das isolierte, dadurch aber auch entgrenzte Arbeiten an. Ohne den Club aus den Augen zu verlieren, ist ihm hierbei eine sehr unaufdringliche, doch nicht beliebige Zuhause-Platte gelungen. Als nächstes kamen die Hamburger Green Piece mit Maxi und Album, „die erste deutsche Drum 'n 'Bass-Platte“, wie Bächner betont. Allerdings so weich und kuschelig, daß auch Schöner Wohnen hätte kopfstehen können.

Mit der nächsten Band gelang dann ein Coup: Kreidlers Album Weekend, im Herbst 1996 veröffentlicht, landete im Spex-Redaktions-Poll vor Tortoises Krisenretter Millions Now Living Will Never Die, und die Leser kürten die Düsseldorfer Formation gar zum Newcomer des Jahres. In der Tat gibt die Basis der Band, ihre offene musikalische Struktur, Anlaß zur Hoffnung, daß da über längere Zeit relevante Statements zur musikalischen Lage getroffen werden können. Doch klar ist auch: Kreidler werden ihre Konturen weiterentwickeln müssen, um nicht in einem sich androhenden Zeit-Klang aufzugehen.

Ein wichtiges Anliegen von KiffSM ist die Brückenfunktion zwischen Club und Heim. Nur 12-Inches an DJs zu verteilen, so wie Bächner es mit ihrem House-Label Utah (Juttas Wortwitz lauert überall) eine Zeitlang machte, soll der Weg nicht sein. Auch normalsterbliche Plattenkäufer sollen teilhaben an der Musik. Zufriedene Künstler sollen Platz haben und sich fernab von stilistischen Schubladen entwickeln. Aufbau, Hege und Pflege der Artisten sind der Focus von KiffSM. Beim Major Label Geld zu verdienen, dafür könnte später noch genug Zeit sein.

In ihren Ambitionen ähnelt Jutta Bächner durchaus den Kollegen anderer Labels. Sie beflügelt eine Entwicklung, in der weder Fan noch Fachkraft allzu scharf zwischen Tanz und Rock unterscheiden. Daß die Sinnkrise der ehedem progressiven Stile schon häufiger in Beliebigkeit umgeschlagen ist, stellt für die Chefin von KiffSM kein Problem dar. Denn Jutta Bächner kennt das Business von der Pike auf, und sie spricht die Sprache der Überzeugenden.

Carsten Hellberg

Diskographie: Drome: „Dromed“(CD); Green Piece: „Jungle Makes Me Wonda“(12“); Green Piece: „Northern Herbalism“(CD); Kreidler: „Weekend“(CD/LP)

„Kreidler“spielt heute um 21 Uhr im Knust.