Abschiebung in Chartermaschinen

■ Innenverwaltung plant Massenabschiebung bosnischer Kriegsflüchtlinge noch in diesem Jahr

Innensenator Jörg Schönbohm plant die Abschiebung bosnischer Bürgerkriegsflüchtlinge im großen Stil: Nach Ostern sollen BosnierInnen in Gruppen von mehr als 50 Personen mit Chartermaschinen direkt nach Sarajevo verfrachtet werden. Dies hat Schönbohm (CDU) in der Sonntagsausgabe der Berliner Morgenpost angekündigt. Die ersten Abschiebungen bosnischer Flüchtlinge in Berlin waren in der vergangenen Woche in Kleingruppen von maximal vier Personen mit Linienmaschinen erfolgt. Die BosnierInnen flogen mit Polizeibegleitung, weil sie in Zürich und Zagreb umsteigen mußten.

Im Laufe dieses Jahres sollen nach dem Willen der Innenverwaltung mindestens 6.000 BosnierInnen, vorrangig Alleinstehende und Ehepaare ohne Kinder, Berlin verlassen. Die Innenverwaltung hofft, durch die Massenabschiebungen per Charterflug 500 Millionen Mark an Unterbringungskosten zu sparen. Schönbohm erklärte, er sehe sich zu den Abschiebungen gezwungen, da bislang nur 1.200 Personen freiwillig nach Bosnien zurückgekehrt seien. In Berlin leben derzeit etwa 29.000 bosnische Bürgerkriegsflüchtlinge.

Riza Baran, Abgeordneter der Bündnisgrünen, hat die Ankündigung Schönbohms und die bereits erfolgten Abschiebungen als „nicht legal“ bezeichnet. Laut Parlamentsbeschluß müsse die Rückkehr auf freiwilliger Basis erfolgen, sagte Baran gegenüber der taz. Er kritisierte, Schönbohm betrachte das Problem nur unter finanziellen Gesichtspunkten. „So geht es aber nicht – schließlich haben wir es mit Menschen zu tun.“ Nach Ansicht Barans wollen die meisten BosnierInnen durchaus in ihre Heimat zurückkehren. Zur Zeit fehle es dort aber noch an einer Infrastruktur, die den Flüchtlingen eine würdige Heimkehr ermöglicht. „Zunächst ist Kooperation gefragt“, meint Baran, „sowohl organisatorisch als auch finanziell.“

Ähnlich hatten sich in der vergangenen Woche bereits Ismail Kosan, der ausländerpolitische Sprecher der Bündnisgrünen, und die Fraktionsvorsitzende Sibyll Klotz geäußert: Die Städte und Gemeinden Bosniens seien durch die Aufnahme zurückkehrender Flüchtlinge schon jetzt vollkommen überfordert.

Anläßlich der Abschiebungen hatte sich auch der ausländerpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Eckhard Barthel, gegen die neue Praxis des Innensenators gewandt: „Vorrang soll die freiwillige Rückkehr haben, die es zu fördern gilt. Sind Abschiebungen nicht zu vermeiden, so müssen dabei die rechtsstaatlich gebotenen und öffentlich angekündigten Verfahrensschritte eingehalten werden.“ Dazu, so Barthel weiter, gehöre auch die „von Staatssekretär Böse gemachte Zusage einer zehntägigen Frist zur freiwilligen Ausreise nach Ankündigung“. In der vergangenen Woche seien jedoch Bosnier ohne Vorankündigung in Abschiebehaft genommen worden. Holger Wicht