Vehemente Skrupel

■ Der 1. FC Köln verliert in Gladbach mit 1:2 nach althergebrachter Tradition

Mönchengladbach (taz) – Markus Scheibel ist Schiedsrichter-Assistent – und ein unbarmherziger dazu. „Bitte den Mann nicht zulassen“, hatte der Kölner Trainer Peter Neururer Hilfestellung vom Fahnenwedler an der Linie erbeten, „der macht gegen uns immer einen rein.“ Schübel aber gedachte der „Fair geht vor“-Kampagne seines Wochenend-Arbeitgebers und ließ Gladbachs Peter Wynhoff ungehindert das Feld betreten. Das Schicksal nahm seinen Lauf.

Bis dato hatte sich der Exil-Berliner einen ziemlichen Mist zusammengespielt in dieser Saison. Ganze sechsmal hatte „Glatze“ über 90 Minuten rangedurft, meist verrichtete er Teilzeitarbeit oder raufte sich auf der Borussen-Bank angesichts des trüben Gekickes seiner Kumpels das nicht mehr vorhandene Haupthaar. Seit seinem Kunststückchen vom Samstag – einen, zwei, drei Kölner austänzeln und dann rein mit dem Ding in den Winkel – ist er wohl wieder erste Wahl. Und sein Klub sechs Punkte weg von der zweiten Liga.

Dabei hatten die FC-Fans bis zu dieser Szene noch tapfer mit „Nie mehr, nie mehr Bökelberg“-Chorälen die Unterhaus-Kompatibilität der Gastgeber heraufbeschworen. Zwar stand es durch zwei der humorigen Hölzernheit von Paßlack und Baumann geschuldete Elfmeter 1:1. Doch außer sechs furiosen Anfangsminuten war den Gladbachern nicht allzuviel eingefallen. Die Kölner hätten bei etwas konsequenterer Spielweise erstmals seit Lichtjahren beide Saisonspiele gegen die Rivalen vom Rhein gewinnen können. Aber bei diesem ungeheuren Gedanken überkamen den Polster-Toni und seine Jungs offensichtlich vehemente Skrupel. Sie kickten sich in Richtung Remis – bis Wynhoff ins Borussen-Leibchen schlüpfte.

So wird's nach Lage der Dinge auch im kommenden Jahr zwei emotionsgeladene Erstliga-Duelle zwischen den beiden Nachbarn geben. Wie immer werden die Borussen-Anhänger „Ihr seid nur ein Karnevalsverein“ intonieren, wie immer werden die FC-Fans mit „Zweite Liga – Gladbach ist dabei“ reagieren. Und wie immer wird Peter Wynhoff auflaufen, obligatorisch die Kugel im Kölner Netz versenken und dafür sorgen, daß auch weiter alles so bleibt, wie es immer schon war. Holger Jenrich

1. FC Köln: Kraft - Cichon - Baumann, Schmidt (76. Gaißmayer) - Steinmann (66. Thiam), Hauptmann, Oliseh, Munteanu, Andersen - Vladoiu, Polster

Zuschauer: 34.500; Tore: 0:1 Polster (51./Foulelfmeter), 1:1 Lupescu (67./Foulelfmeter), 2:1 Wynhoff (75.)

Borussia Mönchengladbach: Kamps - Paßlack, Fournier, Andersson, Schneider - Lupescu, Effenberg, Pflipsen (78. Hochstätter), Nielsen (46. Wynhoff) - Juskowiak, Dahlin (46. Pettersson)