Geklonte TNT-Killer und ihr Lebenszweck

■ In Hamburg hat das Internationale Frühjahrstreffen der Mikrobiologen begonnen

Der eiskalte Atlantik ist ihr Zuhause: winzige Lebewesen, die sich dort angesiedelt haben, wo gleichzeitig 400 Grad heißes Wasser aus dem Erdinnern emporschießt. Mit einem Leben im Verborgenen ist es vorbei, seit ein Wissenschaftler sie mit einem U-Boot in 4000 Metern Tiefe aufspürte. Rund 1000 Mikrobiologen beraten derzeit auf ihrer Internationalen Frühjahrstagung in Hamburg darüber, wie sich diese und andere Mikroorganismen auf Erden nützlich machen können.

Die „unbekannten Viecher“, wie der Regensburger Mikrobiologe Karl-Otto Stemmer sie nennt, haben Verwandte in der Arktis, dem Toten Meer und anderen unwirtlichen Gegenden. Manche gedeihen am besten bei zwölf Grad unter Null, andere beginnen erst ab 95 Grad zu wachsen. „Von ihnen können wir lernen, daß es extremere Lebensräume gibt als die des Menschen“, so der Hamburger Mikrobiologe Garabed Antranikian.

Einmal entdeckt, kommen die „Extremophilen“, von denen erst etwa ein Prozent erforscht ist, im Umweltschutz, in der Medizin und in der Industrie zum Einsatz. Sie sollen beispielsweise als Biokatalysatoren in der technischen Chemie die herkömmlichen Schwermetallkatalysatoren ersetzen, eine wichtige Rolle in der Papierindustrie spielen oder bei der Herstellung von Coca Cola mitmischen.

Zuvor müssen sie in der Natur isoliert und im Labor geklont werden. „Der Unterschied zwischen zwei extremophilen Arten ist größer als der zwischen dem Menschen und einem Frosch“, sagt ein Mikrobiologe. Mit Unterstützung seiner Profession sollen die „Extremophilen“, die um ein Vielfaches kleiner sind als ein Wasserfloh, diverse Schadstoffe eliminieren helfen. Mit hochgiftigen polyaromatischen Kohlenwasserstoffen verseuchte Böden etwa können durch den Einsatz von Mikroorganismen saniert werden. Allerdings muß das kontaminierte Erdreich abgebaut und erwärmt werden. Bei der Vernichtung von Dioxinen stoßen auch die Mikrobiologen an ihre Grenzen: Ein entsprechendes schad-stoffvernichtendes Enzym wurde noch nicht gefunden. Wohl aber ein Mikroorganismus, der sich an Rüstungsaltlasten wie dem Sprengstoff TNT verlustiert.

Die Europäische Kommission fördert seit Dezember 1996 ein Verbundprojekt von 61 Instituten zum Thema „Extremophile Organismen“, an dem auch die TU Harburg beteiligt ist. lian