Peitschend aus dem Sandkasten

■ Weite Pupillen, feuchte Hände: Falk Richter inszeniert Harold Pinters Zwei-Personen-Stück „Asche zu Asche“auf Kampnagel

Es tut sich etwas auf der Bühne. Doch mit Wirklichkeit oder Vergangenheit hat es wenig am Hut. Mit eindringlichen Bildern, unterlegt mit lauten Geräuschen und unterstrichen mit leicht übertriebenen Posen, versucht Rebecca (Sylvana Krappatsch) grauenhafte Erinnerungen an den Mann zu bringen. Dinge kommen zum Vorschein, die nie stattgefunden haben können.

Und dann gibt es da noch diesen Mann. Devlin heißt er (Oliver Kraushaar) und ist anfangs schwer von dem Gedächtnis-Training seiner Freundin begeistert. Auch ihm fehlt eine Geschichte, und so fragt er und fragt und hört nicht auf. Zum Beispiel, wer dieser Mann in Rebeccas Kopf gewesen sein soll, der sie zwang, seine Faust zu küssen und der am Bahnsteig Müttern schreiende Babies aus den Armen riß. Doch bald wird Devlin des Nachbohrens überdrüssig. Aus Rebeccas Domina-Gehabe werden die unterwürfigen Gesten eines unsicheren, zu groß gewordenen Schulmädchens. Und Devlins Interesse an dem imaginierten Grauen wandelt sich zum ennuyierten, höflich versteckten Überdruß.

Harold Pinters Zwei-Personen-Stück Asche zu Asche wird in Falk Richters Inszenierung zu einem Spektakel, das die Zuschauer eine knappe Stunde lang fesselt. Gekonnt eingesetzte Sound-Effekte sorgen immer wieder für atemlose Stille im Publikum, Schauspiel und Technik verbinden sich zu einer Bilder-Maschinerie, die einen Einblick in die Werkstatt eines Zauberlehrlings zu gewähren scheint. Manchmal gruselt's, manchmal weiten sich die Pupillen in der hochgepuschten Erwartung eines Knalls. Dann wieder löst sich die Spannung im Gelächter auf.

Daß die Geschichte eigentlich keine ist, fällt dabei kaum auf. Rebecca und Devlin bleiben sich und ihrem lustig-schaurigen Treiben treu, eine Entwicklung der Charaktere ist nicht festzustellen. Was die tiefere Bedeutung der Faszination von Gewalt angeht, ist man hinterher auch nicht schlauer als vorher.

Was in Pinters Original-Fassung politisch umstritten war, wird hier zum Ausschnitt aus einer verschrobenen Beziehungskiste. Rebecca und Devlin mögen sich, sie halten geradezu krampfhaft aneinander fest, soviel wird klar. Sie stehen leicht abseits der Realität und des guten Geschmacks. Sie bleiben immer brav und oberhalb der Gürtellinie, und das ist wohl die wichtigste Botschaft dieses Stücks: daß S/M-Spielchen, so brutal sie auch tun wollen, in ihrem lächerlichen Pathos im Grunde verzweifelte Versuche sind, aus dem Sandkasten auszubrechen.

Barbora Paluskova

18.-22. und 25.-19. März, 20.30 Uhr, Kampnagel Äk4Ü

Eine Rezension der deutschsprachigen Erstaufführung am Samstag in Basel steht auf Seite 17.