: Die Erotik des Wartens
■ Astrid Jacob verhob sich in Bremerhaven an Lorcas „Sobald fünf Jahre vergehen“
Wer Federico Garcia Lorcas Figuren auf die Bühne bringen will, läßt sich auf ein Wagnis ein, das ebenso spektakulär scheitern wie faszinierend gelingen kann. Lorcas zarte, glühende und bilderreiche Poesie in Fleisch und Blut zu übersetzen, war vor drei Jahren am Bremerhavener Stadttheater mit Holger Schultzes Inszenierung der „Bluthochzeit“eindrucksvoll gelungen. Dort geht es um die Revolte gegen eine aufgezwungene Heirat; hier, in dem selten gespielten Stück „Sobald fünf Jahre vergehen“, um den Verzicht auf gelebtes Leben und die tödlichen Folgen.
Eine „Legende von der Zeit“nannte Lorca das schwer zu packende Drama, das jetzt in der Inszenierung von Astrid Jacob am Bremerhavener Stadttheater Premiere hatte. Darin beschließt ein braver Jüngling, fünf Jahre auf seine jugendliche Geliebte zu warten, um am Ende erkennen zu müssen, daß die Zeit für ihre Liebe längst abgelaufen ist. Kay Krause spielt diesen zaudernden jungen Mann, der von zwei Spiegelbildern seiner selbst umgeben ist: Von einem weisen Alten (Gerd Staiger), der ihn fragt, warum er nicht den Mut habe, mit seinem 15jährigen „Herzblättchen“zu fliehen, zu fliegen und „die Liebe über den ganzen Himmel auszubreiten“. Und von einem unbekümmerten Sportler im Rugby-Dress (Wolfram Rupperti), der ihn auffordert, die Mädchen zu nehmen, wie sie kommen.
Das Thema der verlorenen Liebe hätte einen großen Theaterabend erwarten lassen. Auch die Regisseurin Astrid Jacob ist nach zwei herausragenden Operninszenierungen in Bremerhaven keine Unbekannte mehr. Aber „Sobald fünf Jahre vergehen“gerät ihr zur ermüdenden Kunstübung, in der die DarstellerInnen sichtbar angestrengt Lorcas Sprache deklamieren, in der das Zarte allzuoft ins schwerfällig Pathetische rutscht oder zu fett unterstrichenen Appellsätzen weggesprochen wird.
Während Astrid Jacob aus Lorcas eigenwilliger Sprache kaum Funken schlagen kann, sucht sie das Poetische über andere Wege zu retten. Sie setzt auf einen farbigen Bühnenraum, der hinter einem zweiten Vorhang den Blick auf eine höher gelegte Hinterbühne freigibt – auf ein Haus mit großen Fenstern oder auf eine südländische Zypressenlandschaft. Katharina Sichtling hat nicht nur diese stimmige Bühne, sondern auch die vielfältig bunten Kostüme entworfen. In dieser Ausstattung läßt die Jacob ihre Figuren häufig in Zeitlupe agieren, was gelegentlich zur peinlichen Manie ausartet.
Erst nach der Pause mit dem Auftritt einer Clownin (Antonie Gottwald) und bunter Nebenfiguren verliert das Spiel alle Steifheit, aber der freche Kasperle-Ton verschwindet so schnell wie er gekommen war. Davor und danach siegt bitterer, bleischwerer Ernst. Allein der Gast Rainer Süßmilch bringt andere Töne ins Spiel: Während er auf einem Bandoneon melancholische Weisen erprobt, darf er so unangestrengt poetisch sprechen, daß hörbar wird, wieviel Leichtigkeit eigentlich in Lorca steckt.
Hans Happel
Weitere Vorstellungen: 19. und 27.3. sowie 11. und 25.4.
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