Er kommt pünktlich, aber weicher

■ Zunehmende Arbeitslosigkeit und hohe Staatsdefizite auch in Deutschland knabbern an einem harten Euro

„Wirtschaftlich gesehen würden wir raten, den Euro um etwa zwei Jahre zu verschieben“, meint Harmen Lehment, Währungsexperte des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, wenn er die Konjunkturdaten der EU-Länder betrachtet. „Politisch ist das aber sehr schwierig.“ Würde die Währungsunion erst nach dem bisher im Maastrichter Vertrag festgelegten 1. Januar 1999 beginnen, müßte ihr laut Lehment jedes einzelne EU-Land zustimmen. Das aber ist sehr unwahrscheinlich. Schließlich begründen viele Regierungen ihren Wählern gegenüber die Einsparungen im Sozialbereich und bei Subventionen für verlustbringende Wirtschaftszweige mit den harten Euro-Kriterien.

Für Bundesfinanzminister Waigel galt bisher: Lieber den Euro verschieben, als ihn nicht superstabil zu machen. Immerhin muß er dem deutschen Michel für die neue Währung seine geliebte harte Mark abschwatzen. Nun aber sind die Deutschen mit ihrem aus dem Gleichgewicht geratenen Staatshaushalt die Weichmacher der EU. Damit sinkt die Durchsetzungskraft von Waigel bei seinen EU-Kollegen schlagartig. Kurzfristig können die Minister auch nichts machen: Wenn sie die Steuern noch einmal anheben und die Staatsausgaben zurückfahren, drosseln sie die Konjunktur und schaffen damit zumindest für einige Jahre neue Arbeitslose samt neuen Sozialausgaben – eine schnelle Reduzierung der Staatsdefizite wäre damit illusorisch.

Zum Glück für die Deutschen Währungshüter hat der Maastrichter Vertrag aber Hintertüren. Zwar legt das Protokoll die ominösen drei Prozent Haushaltsdefizit für Bund und Länder genau fest. Aber im eigentlichen Vertrag ist laut Paragraph 104 im Falle eines höheren Defizits erst einmal nur ein Bericht der EU-Kommission vorgesehen. Dann kann der Ministerrat eine Frist festsetzen, innerhalb derer ein Land „wirksame Maßnahmen“ einleiten muß. Vom tatsächlichen Einhalten der drei Prozent ist nirgendwo die Rede.

Mit den Haushaltsproblemen nun auch in Deutschland wird eher der Weg geebnet für eine wirklich europäische Währung. Die Staatsdefizite liegen enger beieinander, wenn auch auf höherem Niveau, als von Waigel und anderen gewünscht. Damit wird der Euro auf lange Sicht vielleicht weicher. Das hat Vor- und Nachteile, ist aber keine Katastrophe: Touristen in Dollarländern müssen bei einer weicheren Währung mehr bezahlen, Importe in die Europäische Union werden teurer. Dafür aber sinken die EU-Arbeitskosten relativ zu anderen Weltgegenden. Also wird sich wohl Bundeskanzler Kohl durchsetzen mit seinem „Wir machen das!“ Reiner Metzger