Waigel in der Klemme

■ Kann Bonn die Euro-Kriterien erfüllen?

Und er bewegt sich doch. Theo Waigel sitzt in einer bösen Kommunikationsfalle, aber jetzt beginnt er wenigstens zu strampeln. Jahrelang hat er den Deutschen eingebleut, daß der Euro nur dann eine starke Währung wird, wenn alle EU-Regierungen die Maastricht-Kriterien prozentgenau einhalten. Doch so, wie es aussieht, schafft er das nicht einmal selbst.

Mit ökonomischem Sachverstand hat das alles nicht viel zu tun. Haushaltsdefizit und Staatsschulden haben nur einen geringen Einfluß auf die Stabilität einer Währung. Wichtig ist, daß alle beteiligten Regierungen eine ähnliche Wirtschaftspolitik machen. Und das tun sie seit einigen Jahren. Den Beweis liefern die Finanzmärkte, die sich längst auf den Euro eingestellt haben. Seit Jahren sind die Wechselkurse zwischen den Euro-Kandidaten weitgehend stabil, die Zinsen nähern sich, selbst in Italien und Spanien, historischen Tiefstständen. Ob das Haushaltsdefizit bei drei oder bei vier Prozent liegt, ist letztendlich egal. Solange ein Land nicht komplett ausschert und sich in einen Schuldenrausch stürzt, ist die Angst vor Inflation unbegründet.

Doch wenn es um den Abschied von der Mark geht, traut Waigel den Deutschen nicht viel zu. Um ihnen die Angst vor dem Euro zu nehmen, hat er sich auf eine aberwitzige Symbolpolitik eingelassen: „Drei Prozent sind drei Prozent.“ Im Maastrichter Vertrag steht das so nicht, dort reicht die Annäherung. Alles andere wäre auch Unsinn.

Doch statt den Nutzen des Euro zu erklären, hat Waigel die drei Prozent zum Stabilitätsdogma verklärt. Die Gegner der Währungsunion, die Nationalpopulisten, vor allem aber die Ideologen des freien Finanzmarktes haben sich daran festgebissen und werden so schnell nicht mehr loslassen. Wer den Druck der Finanzmärkte auf die Regierungen für heilsam hält, kann dem Euro wenig abgewinnen. Der Abbau der Sozialleistungen ist ein Ergebnis des Wettlaufs der Regierungen um günstige Zinsen. Wer gegensteuert, wird sofort mit einem Zinsaufschlag bestraft.

Der Euro ist ein Projekt, um die gewählten Regierungen wieder handlungsfähiger zu machen. Doch das hat Waigel bisher vergessen zu sagen. Statt dessen hat er sich auf eine abwegige Argumentation um die Stabilitätskriterien eingelassen. Nun hat er immerhin angefangen, sich zu winden. Alois Berger