Den englischen Kranführern auf der Spur

■ Welch' „wichtige“Fragen die Abgeordneten an Bremens Regierung stellen – aus den Protokollen der Bürgerschaftssitzungen

Haben Sie sich auch schon manchmal gefragt, was die Abgeordneten der Bremischen Bürgerschaft eigentlich tun? Das Parlament kontrolliert die Regierung, klar. Wenn Sie allerdings genauer wissen wollen, wie parlamentarische Kontrolle funktioniert, empfiehlt sich die Lektüre der Bürgerschaftsprotokolle.

Mit bohrenden Fragen quälen die Parlamentarier den Senat zum Beispiel in der Fragestunde. Ob „in den Hafeneinzelbetrieben“englische Kranführer beschäftigt werden, wandelte Heinz Wenke (SPD) gestern in der Bürgerschaft auf den Spuren von englischen Kranführern. Eine Reederei, die Eisenerz an die Stahlwerke liefert, läßt bisweilen nämlich schottische Kranführer einfliegen, die bei der Entladung auf den Schiffen helfen. Skandal, fand Wenke und formulierte seine Frage an den Senat. Der antwortete kurz und knapp. Englische Kranführer, die in Bremer Hafenbetrieben beschäftigt seien, gebe es nicht. Und auch auf die schottischen habe die Regierung keinen Einfluß. Kein Skandal also, aber immerhin eine klare Antwort auf eine klare Frage.

Das ist nicht immer so. „Frau Senatorin“, wandte sich Silke Striezel (CDU) einst an Tine Wischer (SPD), Herrin des Mammut-Ressorts. „Können Sie das Parlament informieren, ob die Einlassung unseres, aber auch anderer Landesdrogenbeauftragten zu einer Änderung der niederländischen Meinungsbildung geführt hat?“„Ich kann Ihnen nichts darüber sagen, ob das die niederländische Regierung beeindruckt hat“, antwortete Wischer. Doch Striezel ließ nicht locker. Wäre ja noch schöner, wenn man als Abgeordnete immer gleich aufgeben würde. „Ich hoffte, daß ich auf diese Frage ein Ergebnis der Regierung bekomme und daß Ihnen bekannt ist, welche Auswirkungen das bei uns hat“, bohrte sie nach. „Nein“, entgegnete Wischer knapp. Striezel war offenbar befriedigt und suchte den Weg zurück zu ihrem Platz, der in hinteren Reihen des Plenarsaals liegt.

Auch Frank Schildt (SPD) gehört zu jenen Abgeordneten, die ihre Kontrollfunktion ernstnehmen: „Welche Vereinbarungen gibt es zwischen dem Senat und dem Magistrat über den Einsatz der Feuerwehrdrehleiter bei der Landesfeuerwehrschule Bremen für Bremen-Stadt und Bremerhaven?“fühlte er der Innenpolitik von Ralf H. Borttscheller im Januar auf den Zahn. „Es gibt keine formelle Vereinbarung zwischen dem Senat und dem Magistrat“, antwortete Borttscheller gelassen. „Beide Berufsfeuerwehren besitzen eigene Drehleitern“, klärte der Innensenator den Abgeordneten auf. Außerdem sei sichergestellt, daß sich die Feuerwehren sich gegenseitig aushelfen würden. Doch damit ließ sich Schildt nicht abspeisen. „Wenn ich bemerken darf, Herr Senator, das sind keine befriedigenden Antworten auf eine konkrete Frage“, hakte er nach. „Sie sehen also in der Vergangenheit keine aktuellen Probleme, die dazu geführt hätten, daß die Leiter der Landesfeuerwehrschule zur Verfügung gestanden hätte?“Borttscheller lächelte – was selten vorkommt – weise: „Es ist mir, Herr Abgeordneter Schildt, weder in Bremen noch in Bremerhaven ein Brand bekannt, der nicht bekämpft werden konnte, weil eine Drehleiter gefehlt hätte.“Schildt setzte sich – Beobachter wollen auf seinen Antitz Erleichterung erkannt haben. Ja, ja, so sind sie, unsere Abgeordneten, immer um das Wohl der Bürger besorgt.

So auch Rolf Herderhorst (CDU). „Ist es richtig, daß es in der Steuerverwaltung Bremen mit sechs bis sieben Textverarbeitungssystemen gearbeitet wird, die untereinander nicht kompatibel sind“, zwang er im Dezember den stellvertretenden Bürgermeister Ulrich Nölle (CDU) zu einer Stellungnahme. Seine Anfrage trug den aufrührerischen Titel „Textverarbeitungswesen bzw. -unwesen in der Steuerverwaltung Bremen“. Nölle konnte den Abgeordneten allerdings beruhigen. Nach dem

„Technikeinführungskonzept des Senats“sei der „Einsatz von Textverarbeitungssoftware in der bremischen Verwaltung“schon lange vereinheitlicht worden.

Doch Bremens Volksvertreter schmoren nicht nur im eigenen Saft, mutig wagen sie auch den Blick über den Tellerrand. „Wie bewertet der Senat die neuen Telefongebühren der Telekom“, wollte Elke Steinhöfel (SPD) von Arbeitssenator Uwe Beckmeyer (SPD) wissen. „Frau Abgeordnete, Sie sprechen ein Problem an, und zwar eine mangelhafte PR-Arbeit der Telekom im Vorfeld dieser ganzen Angelegenheit. Das ist wirklich, denke ich, so schlecht gelaufen, wie es hätte nur schlecht laufen können“, hatte Beckmeyer herausgefunden. „Ihrer Antwort entnehme ich, daß Sie es nur für eine PR-Frage, aber nicht für eine inhaltliche Frage halten“, versuchte Steinhöfel den Senator festzunageln - da führ ihr der Präsident der Bürgerschaft, Reinhard Metz (CDU) in die Parade:„Das war keine Frage“, ermahnte er die Abgeordnete. „Das stimmt! Das räume ich ein“, mußte Steinhöfel zugeben.

Mitunter plaudern Bremens Politiker auf dem Rednerpult auch aus ihrem Privatleben. Bürgermeister Henning Scherf (SPD) zum Beispiel. Die Röntgenaufnahme der Handwurzelknochen zur Bestimmung des Alters von Asylbewerbern sei gar nicht so schlimm, versuchte er die Abgeordnete Christa Bernbacher (Grüne) zu beruhigen. „Meine Kinder sind alle auf die gleiche Weise röntgenologisch untersucht worden, weil wir wissen wollten, als sie zehn, elf Jahre alt waren, wie groß sie wirklich würden, und sie sind in Universitätskinderkliniken untersucht worden. Ich weiß, daß das eine gesicherte Röntgenuntersuchung ist, die rund um die Welt von allen angewendet wird. Meine älteste Tochter ist inzwischen Gynäkologin, Oberärztin in London, die hat mir nicht ein einziges Mal Vorwürfe gemacht, daß ich bei ihr diese Untersuchung habe durchführen lassen.“Soweit unser Bürgermeister Dr. jur. Henning Scherf. Oder Klaus Bernbacher (AfB), der zugab, daß seine Nachkommen nicht die schlausten sind. „Woran messen Sie eigentlich diesen Qualitätsbeweis und den hohen Standard der Schulen in Bremen. Ich habe eher den gegenteiligen Eindruck!“„Ja“, antwortete Bildungssenatorin Bringfriede Kahrs. "Das ist das Problem, daß Sie von einem Eindruck ausgehen, der Ihrer ist und subjektiv ist.“„Nein“, antwortete Bernbacher. „Ich bin immerhin Vater von vier Kindern und von sechs Enkelkindern.“

Das Palaver der Abgeordneten ist übrigens kein Grund, sich zu wundern. Bremens Volksvertreter tun nur ihren Job. Schließlich kommt das Wort „Parlament“aus dem französischen „parler“. Und das heißt nichts weiter als „sprechen“. Kerstin Schneider