Diepgen kämpft um Hauptstadtsender

■ Die Senatskanzlei torpediert die vereinbarte Hörfunkkooperation zwischen SFB und ORB. Bündnisgrüne und SPD lehnen Versuch der direkten Einflußnahme auf die Rundfunkanstalten ab

Der Widerstand gegen eine Fusion der beiden Sendeanstalten SFB und ORB hat neuen Auftrieb bekommen. In einer im Tagesspiegel veröffentlichten Expertise der Senatskanzlei erklärt diese den zwischen den Sendern vereinbarten Kooperationsvertrag für den SFB unvorteilhaft. Der bereits paraphierte Vertrag über die Zusammenlegung der Hörfunkprogramme scheint damit wieder in Frage gestellt. Senatssprecher Michael-Andreas Butz lehnte eine direkte Stellungnahme zu der Expertise mit den Worten ab: „Die Entscheidung liegt beim Aufsichtsrat des SFB.“ Die CDU-Abgeordnete Monika Grütters bestätigte der taz, daß das Papier aus dem Hause des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen kommt.

Mit Verwunderung haben SPD und Grüne auf den Versuch reagiert, knapp einen Monat vor seiner Ratifizierung den Kooperationsvertrag zwischen den beiden Länderanstalten SFB und ORB zu torpedieren. „Alles, was nach direkter Einflußnahme auf die Rundfunkanstalten riecht, lehnen wir rigoros ab“, erklärte der stellvertretende SPD-Fraktionssprecher Wilke. Der Vertreter der Grünen im SFB-Rundfunkrat, Jochen Esser, zeigte sich überrascht über diese Wendung in der CDU, nachdem sich schon mit Klaus Landowsky und Dieter Heckelmann führende Vertreter der CDU im Verwaltungs- und Rundfunkrat mit dem Kooperationsvertrag einverstanden erklärt hatten und damit die noch ausstehende Zustimmung des SFB-Verwaltungsrats wahrscheinlich geworden war. Die Opposition gegen die Zusammenarbeit habe einen klar „parteipolitischen Hintergrund“, sei angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse im Aufsichtsrat „brisant“.

In der Expertise, so der Tagesspiegel, wird erstmals der Intendant des SFB, Günther von Lojewski, direkt kritisiert: „Durch die Kooperationen macht sich der Indendant des SFB von Abstimmungen mit dem ORB abhängig und verzichtet auf das Alleinentscheidungsrecht auf Teile seines Programms.“

Die Sprecherin des ORB, Claudia Hempel, mochte sich nur „in Zurückhaltung üben“, verwies jedoch darauf, daß der Medienstaatsvertrag die beiden Länderanstalten zur Zusammenarbeit verpflichte. Zudem wies sie auf inhaltliche Fehler des Kanzlei-Papiers hin, wonach die Einnahmen des ORB und die Kosten des SFB jeweils viel zu hoch angegeben seien.

Der Sprecher des SFB, Thomas Strätling, nannte das Kanzlei-Papier ein „Störmanöver“, wollte es aber „gelassen sehen“: „Der Vertrag wird nicht nachverhandelt.“ Von einem kulturellen Ausverkauf des Senders, wie es das Papier nehelege, könne keine Rede sein. Der bisherige Kultursender SFB 3, gegen dessen Auflösung sich auch zahlreiche Schriftsteller ausgesprochen hatten, bleibe im Kernbestand erhalten. Die beschlossene Kooperation sieht vor, ein neues Info- und Kulturradio zu schaffen, das an die Stelle von Radio Brandenburg und des SFB- Programms B 2 treten soll. Anstelle von SFB 3 soll eine neue Kulturwelle geschaffen werden.

Grüne und SPD befürchten nun, daß die CDU durch ihren Angriff auf den Kooperationsvertrag eine Option für einen Hauptstadtsender aufrechterhalten will, für die sich der derzeitige ARD-Vorsitzende Udo Reiter stark gemacht hat. Rundfunkrat Esser: „Die CDU hat Angst davor, daß sie künftig in der Region nichts mehr zu sagen hat.“ Thekla Dannenberg