Fatos Nano gilt als der populärste Politiker in Albanien

■ Seine Popularität verdankt der sozialistische Politiker der Dummheit und der Rachsucht von Präsident Berisha

Wien (taz) – Albaniens künftiger Präsident heißt Fatos Nano. Das weiß auch der noch amtierende Präsident Sali Berisha. Für ihn war es wohl der schwärzeste Tag im Leben, als er am Sonntag seinen gefährlichsten innenpolitischen Gegner begnadigen ließ. Mit diesem Schritt ist Berishas politisches Ende vorgezeichnet. Denn Fatos Nano war schon vor der jüngsten Revolte der populärste Politiker. Nun gilt er zusammen mit seinem Parteifreund, dem neuen Regierungschef Bashkim Fino, als Hoffnungsträger der Massen. Seine Popularität verdankt Nano jedoch nur der Dummheit und Machtsucht Berishas.

Auf dem Höhepunkt seiner Macht im Sommer 1993 begann der heute verhaßte Präsident eine großangelegte Verleumdungskampange gegen die oppositionellen Wendekommunisten. Berishas Fehler war dabei weniger sein penetranter Antikommunismus als vielmehr jene obskuren Verschwörungstheorien, nach denen die zu Sozialisten mutierten Stalinisten noch immer von der Weltrevolution träumten und einen bewaffneten Volksaufstand planten, einmal mit Hilfe chinesischer Kommunisten, dann in einem Geheimbund mit großserbischen Nationalisten, zuletzt mit Unterstützung griechischer Fanatiker. In all diesen Umsturzversuchen soll Sozialistenchef Fatos Nano, der 1991 für kurze Zeit auch Regierungschef war, verwickelt gewesen sein.

Im April 1994 wurde er dann in einem Schauprozeß wegen angeblicher Unterschlagung von Staatsgeldern und Urkundenfälschung zu einer zwölfjährigen Haftstrafe verurteilt. Für seine Anhänger war Nano fortan ein Märtyrer, Symbolfigur einer paranoiden Staatsmacht, die mit allen Mitteln versuchte, politische Gegner kaltzustellen. Immer wieder meldete sich Nano aus dem Gefängnis zu Wort, mit Tagebuchnotizen und politischen Reflexionen. Nano bewieß politisches Geschick und Talent beim Schreiben: Aus seiner Zelle heraus diktierte er seinen Genossen einen neuen Kurs. Zum Parteitag im vergangenen August entwarf der Häftling ein neues Parteistatut, mit dem erstmals ein radikaler Schlußstrich unter die kommunistische Vergangenheit gezogen wurde. In einer Resolution verurteilten die Delegierten die stalinistische Diktatur Enver Hodschas als Verbrechen gegen das Völkerrecht. Zugleich distanzierte sich die Partei, auf Betreiben Nanos, von der Regierungszeit Ramiz Alias, der nach dem Tod Hodschas 1985 die Macht übernommen hatte und im April 1992 nach dem Wahlsieg Berishas als Staatspräsident zurückgetreten war. Der Mann hinter den Gefängnismauern von Tepelena wurde zum Star, er erntete auch bei seinen Gegnern Bewunderung. Nanos Verdienst ist es, daß sich die Sozialisten von ihrem alten Image lösen konnten und die Albaner sie als Sozialdemokraten ansehen, die sich für marktwirtschaftliche Reformen und eine Integration Albaniens in die EU und die Nato einsetzen.

Nano genießt die Sympathien des Volkes, und er weiß sie einzusetzen. „Berishas Rücktritt soll in demokratischer Weise erfolgen, durch freie und faire Wahlen“, erklärte er nach seiner Begnadigung. „Ich bin gegen einen gewaltsamen Sturz des Regimes, deshalb rufe ich alle Albaner auf, die Waffen niederzulegen und politischen Prinzipien zu folgen.“ Karl Gersuny