■ Cash & Crash
: Nervöse Zuckungen

Berlin/Frankfurt (taz/rtr/dpa) – Alle spekulieren über den Euro, aber nur die Finanzjongleure scheinen darüber schon Bescheid zu wissen. Sie sind sich offenbar sicher, daß das neue europäische Geld eine weiche Währung wird. Lieber stoßen sie D-Mark ab, solange die noch etwas wert ist, und kaufen dafür Dollar. Sobald aber Gerüchte aufkommen, die Währungsunion werde verschoben oder komme vielleicht gar nicht, steigen sie sofort wieder in die D-Mark ein.

So geschehen am Montag, als Finanzminister Theo Waigel in Brüssel das deutsche Konvergenzprogramm vorstellte. Zwar weigerte er sich standhaft, irgend etwas über eine mögliche Verschiebung der Währungsunion zu sagen. Aber allein die Tatsache, daß er wieder darauf beharrte, die Teilnahmekriterien, wie Haushaltsdefizit und Verschuldung, müßten eisern eingehalten werden („die Konvergenz bestimmt den Zeitplan“), beflügelte die Phantasien der Devisenspekulanten.

Sogleich stieg der Kurs der beliebten Mark. Spiegelbildlich dazu verlor der US-Dollar vorgestern fast zwei Pfennig und sank knapp unter 1,69 Mark. Auch das seit einiger Zeit als Fluchtgeld gehandelte Pfund – die Briten wollen keinesfalls bei der Währungsunion mitmachen – gab nach, von 2,72 auf 2,68 Mark. Die Spanier und Italiener sahen sich gar gezwungen, ihre eigenen Währungen massiv aufzukaufen, um sie gegenüber der Mark zu stützen.

„Ich wundere mich, daß das, was ich immer sage, so hohe Wellen schlägt“, grummelte der Finanzminister daraufhin. Seine Kollegen aus den anderen EU- Staaten sekundierten, niemand habe im Ministerrat das Wort „Verschiebung“ auf den Tisch gebracht, ehrlich.

Allein, es half nicht. Denn es ist allzu deutlich, daß Deutschland die im Vertrag von Maastricht festgelegten Grenzwerte für Verschuldung und Haushaltsdefizit nicht einhalten kann. Selbst Waigel mußte zugeben, daß er zumindest bei der Gesamtverschuldung die Zielmarke verfehlen wird. Schlimmer noch, der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder haute in dieselbe Kerbe und bezweifelte, daß Deutschland die Aufnahmebedingungen erfüllen könne. Wenn, dann bestenfalls durch „kreative Buchführung“.

Die Nervosität an den Finanzmärkten hat jedenfalls nach der Ministerratssitzung eher noch zugenommen. Auch die Aktienbörsen werden davon beeinflußt. Der Rückgang des Dollars verunsicherte die Anleger, so daß der Deutsche Aktienindex am Ende des Tages um 1,6 Prozent auf 3350,99 Punkte fiel. Der Grund für den kleinen Kurseinbruch: Eine allzu teure Mark ist für die deutsche Exportindustrie ein Wettbewerbsnachteil auf den Weltmärkten. Börsianer reagieren darauf sofort, indem sie entsprechende Aktien abstoßen. Die Börsen würden umgekehrt eine pünktliche Einführung des Euro sehr begrüßen, denn dieser würde das Währungsrisiko für Unternehmen mindern. Nicola Liebert